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Brunetti 03 - Venezianische Scharade

Brunetti 03 - Venezianische Scharade

Titel: Brunetti 03 - Venezianische Scharade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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Mietquittung weggeworfen zu haben, war das entweder gelogen oder ein Akt souveränen Irrsinns. »Wo liegt denn die Wohnung des Professore?«
    »Am Fondaco Zattere, mit Blick auf die Giudecca«, sagte Vianello, womit er eine der begehrtesten Wohngegenden der Stadt nannte. Dann fügte er hinzu: »Ich würde sagen, sechs Zimmer, wenn ich auch nur die Diele gesehen habe.«
    »Zweihundertzwanzigtausend Lire?« fragte Brunetti und dachte dabei, daß dies der Betrag war, den Raffi vor einem Monat für ein Paar Timberlands ausgegeben hatte.
    »Ja, Commissario«, sagte Vianello.
    »Warum bitten Sie den Professore und seine Frau dann nicht herein, Sergente? Ach, übrigens, was lehrt er denn, dieser Professore?«
    »Gar nichts, glaube ich.«
    »Aha«, sagte Brunetti und schraubte die Kappe auf seinen Füllfederhalter.
    Vianello ging zur Tür und öffnete sie, dann trat er beiseite, um Professore und Signora Ratti hereinzulassen.
    Ratti war vielleicht Anfang fünfzig, bemühte sich aber, diese Tatsache so gut wie möglich zu vertuschen. Dabei wurde er durch einen Barbier unterstützt, der ihm die Haare so kurz geschnitten hatte, daß man das Grau für Blond halten konnte. Ein Gianni-Versace-Anzug aus taubengrauer Seide betonte sein jugendliches Aussehen ebenso wie das burgunderrote Seidenhemd mit offenem Kragen. Seine Schuhe, die er ohne Socken trug, hatten dieselbe Farbe wie sein Hemd und waren aus Flechtleder, das nur aus der Bottega Veneta stammen konnte. Jemand mußte ihn darauf hingewiesen haben, daß die Haut unter seinem Kinn etwas schlaff war, denn er hatte einen weißen Krawattenschal umgebunden und hielt das Kinn so angestrengt hoch, als hätte ihm ein schlampiger Optiker die Gläser einer Bifokalbrille falsch herum eingesetzt.
    Wenn der Professore einen hinhaltenden Kampf gegen sein Alter führte, war es bei seiner Frau eine offene Feldschlacht. Ihre Haarfarbe hatte gespenstische Ähnlichkeit mit der Hemdfarbe ihres Mannes, und ihr Gesicht war von jener Straffheit, die einzig der Blüte der Jugend oder den geschickten Händen eines Chirurgen zu verdanken ist. Spindeldürr, wie sie war, trug sie ein weißes Leinenkostüm, dessen Jacke offenstand, um eine smaragdgrüne Seidenbluse zur Schau zu stellen. Wenn er die beiden so ansah, fragte sich Brunetti, wie sie es schafften, in dieser Hitze so frisch und kühl auszusehen. Das Kühlste an ihnen waren ihre Augen.
    »Sie wollten mich sprechen, Professore?« fragte Brunetti, während er aufstand, aber keine Anstalten machte, die Hand auszustrecken.
    »Ja, das wollte ich«, sagte Ratti, wobei er seiner Frau mit einer Handbewegung bedeutete, sich auf den Stuhl an Brunettis Schreibtisch zu setzen, und dann unaufgefordert von der Wand einen zweiten für sich selbst heranzog. Als beide es sich bequem gemacht hatten, fuhr er fort: »Ich bin gekommen, um Ihnen zu sagen, wie sehr es mir mißfällt, wenn die Polizei in den privaten Bereich meiner Wohnung eindringt. Und mehr noch möchte ich mich über die Unterstellungen beschweren, die mir gegenüber gemacht wurden.« Ratti ließ, wie so viele Mailänder, beim Sprechen jedes ›r‹ weg, was Brunetti unwillkürlich mit Schauspielerinnen der aufgeblaseneren Art in Verbindung brachte.
    »Und was sind das für Unterstellungen, Professore?« fragte Brunetti, während er sich wieder setzte und Vianello ein Zeichen machte zu bleiben, wo er war, nämlich gleich neben der Tür.
    »Daß es in bezug auf mein Mietverhältnis irgendeine Unregelmäßigkeit gibt.«
    Brunetti warf einen Blick zu Vianello hinüber, der die Augen zur Decke verdrehte. Nicht nur der Mailänder Akzent, jetzt auch noch geschwollene Ausdrucksweise.
    »Was veranlaßt Sie zu der Annahme, daß solche Unterstellungen gemacht werden, Professore?« fragte Brunetti.
    »Nun, warum sonst würden Ihre Polizisten sich Zutritt zu meiner Wohnung verschaffen und verlangen, daß ich ihnen Mietquittungen vorlege?«
    Während der Professore sprach, ließ seine Frau ihren Blick durchs Büro wandern.
    »›Zutritt Verschaffen‹ Professore?« fragte Brunetti im Konversationston. »›Verlangen‹?« Und dann zu Vianello:
    »Sergente, wie sind Sie in die Wohnung gelangt, die der Professore...«, er machte eine Pause, »angemietet hat?«
    »Das Dienstmädchen hat mich eingelassen, Commissario.«
    »Und was haben Sie dem Mädchen gesagt, das Sie hereingelassen hat?«
    »Daß ich Professore Ratti sprechen möchte.«
    »Ah ja«, sagte Brunetti und wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem

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