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Brunetti 05 - Acqua alta

Brunetti 05 - Acqua alta

Titel: Brunetti 05 - Acqua alta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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hatte, war es einleuchtend, daß sie sich mit Semenzato traf, wenn sie wieder in Venedig war. Nicht einleuchtend war hingegen, daß jemand zu so brutalen Mitteln griff, um dieses Treffen zu verhindern.
    Eine Schwester mit einem Stapel Wäsche auf dem Arm kam, ohne anzuklopfen, herein und bat ihn hinauszugehen, solange sie die Patientin wusch und die Bettwäsche wechselte. Signora Petrelli war offenbar beim Krankenhauspersonal tätig geworden und hatte dafür gesorgt, daß die kleinen Umschläge, bustarelle genannt, in die richtigen Hände kamen. Ohne solche »Geschenke« würden in diesem Krankenhaus nicht einmal die einfachsten Dienste an Patienten geleistet, und selbst dann blieb es oft noch der Familie überlassen, die Kranken zu füttern und zu waschen.
    Brunetti ging hinaus, stellte sich ans Fenster im Gang und schaute auf den Innenhof, der zu diesem ehemaligen Kloster aus dem fünfzehnten Jahrhundert gehörte. Gegenüber sah er den neuen Pavillon, der mit so großem öffentlichem Trara gebaut und eröffnet worden war - Nuklearmedizin, die fortschrittlichste Technologie, die in ganz Italien zu haben war, die berühmtesten Ärzte, ein neues Zeitalter im Gesundheitswesen für die exorbitant besteuerten Venezianer. Keine Kosten waren gescheut worden: das Gebäude ein architektonisches Wunder, seine hohen Marmorbögen eine moderne Ausgabe der graziösen Bogengänge, die vom Campo SS. Giovanni e Paolo ins Hauptgebäude führten.
    Die Eröffnungsfeier hatte stattgefunden, es waren Reden gehalten worden, und die Presse war erschienen, aber genutzt worden war das Gebäude nie. Keine Abflußrohre. Keine Kanalisation. Und keiner, der die Verantwortung dafür übernahm. War es der Architekt, der vergessen hatte, sie in die Pläne einzuzeichnen, oder die Bauunternehmen, die sie nicht dort verlegt hatten, wo sie hingehörten? Sicher war nur, daß niemand dafür verantwortlich war und daß die Abflußrohre nachträglich verlegt werden mußten, mit enormen Kosten.
    Brunettis Theorie war, daß es von Anfang an so geplant gewesen war, damit die Baufirmen nicht nur den Vertrag für den neuen Pavillon bekamen, sondern auch noch für den teilweisen Abriß dessen, was sie gebaut hatten, um die vergessenen Abflüsse zu verlegen.
    Sollte man darüber lachen oder weinen? Das Gebäude war nach der Eröffnungsfeier, die keine Eröffnung war, nicht bewacht worden, worauf Vandalen eingebrochen waren und einige der Apparaturen demoliert hatten, so daß jetzt das Krankenhaus Wachmänner bezahlte, die in den leeren Korridoren patrouillierten, und die Patienten, denen die Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zugute kommen sollten, an andere Krankenhäuser und Privatkliniken verwiesen oder auf Wartelisten gesetzt wurden. Er wußte nicht mehr, wie viele Milliarden Lire ausgegeben worden waren. Und dann mußte man das Pflegepersonal bestechen, damit es die Wäsche wechselte.
    Plötzlich tauchte drüben im Hof Flavia Petrelli auf, und er sah sie nahezu gebieterisch über den freien Platz schreiten. Keiner erkannte sie, aber jeder Mann, an dem sie vorüberging, bemerkte sie. Sie hatte sich umgezogen und trug ein langes, purpurfarbenes Kleid, das beim Gehen von einer Seite zur anderen schwang. Über die Schulter hatte sie einen Pelz geworfen, aber nichts so Prosaisches wie Nerz. Wie er ihr so zusah, fiel ihm eine Szene aus einem Buch ein, in der beschrieben wurde, wie eine Frau ein Hotel betritt. So sicher fühlte sie sich in ihrer Wohlhabenheit und ihrer Stellung, daß sie ihren Nerz von der Schulter gleiten ließ, ohne hinzusehen, überzeugt, daß irgendein dienstbarer Geist ihn schon auffangen würde. Flavia Petrelli mußte solche Dinge nicht in Büchern nachlesen; sie besaß dieselbe vollkommene Sicherheit, was ihren Platz in der Weltordnung anging.
    Er sah sie in einem der überdachten Treppenaufgänge zu den oberen Stockwerken verschwinden. Sie nahm, wie er feststellte, zwei Stufen auf einmal, eine Hast, die weder zu ihrem Kleid noch zu dem Pelz paßte.
    Sekunden später tauchte sie am oberen Treppenende auf, und ihr Gesicht wurde starr, als sie ihn vor dem Zimmer stehen sah. »Was ist los?« fragte sie, während sie rasch auf ihn zukam.
    »Nichts. Eine Schwester ist bei ihr.«
    Sie ging an ihm vorbei und betrat, ohne anzuklopfen, das Zimmer. Wenige Minuten danach kam die Schwester mit einem Armvoll Bettzeug und einer Emailschüssel heraus. Er wartete noch ein paar Minuten, dann klopfte er und wurde hereingebeten.
    Als er ins Zimmer kam, sah

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