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Brunetti 06 - Sanft entschlafen

Brunetti 06 - Sanft entschlafen

Titel: Brunetti 06 - Sanft entschlafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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Brunetti aus dem Halbschlaf zurück. »Es war Patrizia.«
    »Patrizia Belotti?« »Ja.«
    »Was hat sie gesagt?«
    »Sie hat so ungefähr die letzten fünf Jahre vor seinem Tod für ihn gearbeitet und mir von ihm und seiner Tochter erzählt. Patrizia sagte, er sei der gräßlichste Mensch, den sie kenne, und alle im Betrieb hätten ihn gehaßt.«
    »Er war in der Immobilienbranche, nicht?«
    »Ja, unter anderem.«
    »Hat sie gesagt, warum?«
    »Warum was?«
    »Warum die Leute ihn haßten.«
    »Laß mich mal nachdenken«, sagte Paola. Und nach einer kurzen Pause fuhr sie fort: »Ich glaube, es hing mit Religion zusammen.«
    Das hatte Brunetti sich schon fast gedacht. Nach der Tochter zu schließen, mußte er wohl einer dieser öligen Frömmler gewesen sein, die in ihrem Betrieb das Fluchen verboten und zu Weihnachten Rosenkränze verschenkten. »Was hat sie denn so erzählt?«
    »Ach, du kennst doch Patrizia.«
    Brunetti hatte Paolas Jugendfreundin nie besonders interessant gefunden, aber zugegebenermaßen hatte er sie in all den Jahren auch höchstens ein dutzendmal gesehen. »Hm-mh«, machte er.
    »Sie ist sehr religiös.«
    Brunetti erinnerte sich; es war einer der Gründe, warum er sie nicht sonderlich mochte.
    »Soviel ich weiß, hat sie erzählt, daß er eines Tages fürchterlichen Krach geschlagen habe, weil irgend jemand, eine neue Sekretärin oder so, in ihrem Büro ein frommes Bild an die Wand gehängt hatte. Oder ein Kreuz. Ich weiß jetzt wirklich nicht mehr genau, was sie gesagt hat. Es ist lange her. Jedenfalls hat er Krach geschlagen, und sie mußte es wieder abnehmen. Und fürchterlich geflucht haben soll er auch. So richtig unflätig - Madonna dies, Madonna jenes. Wörter, die Patrizia nicht einmal wiedergeben mochte. An denen sogar du Anstoß nehmen würdest, Guido.«
    Brunetti überging diese beiläufige Offenbarung, daß Paola ihn für eine Art Schiedsrichter in Sachen Unflat zu halten schien, und richtete seine Aufmerksamkeit statt dessen auf das, was er da über Signor Lerini erfuhr. Aus dieser Nebelwelt wurde er zurückgeholt, als er den sanften Druck von Paolas Körper an seiner Hüfte fühlte. Er rückte, ohne die Augen zu öffnen, ein Stückchen nach hinten, um auf dem Sofa Platz für sie zu machen, dann fühlte er ihren Ellbogen, ihren Arm, ihre Brust auf seinem Oberkörper.
    »Warum hast du meine Mutter besucht?« vernahm er ihre Stimme gleich unter seinem Kinn.
    »Weil ich dachte, sie kennt vielleicht diese Lerini, und die andere.«
    »Welche andere?«
    »Claudia Crivoni.«
    »Und, kannte sie Claudia?«
    »M-hm.«
    »Was hat sie gesagt?«
    »Etwas von einem geistlichen Herrn.«
    »Einem Priester?« fragte Paola im selben Ton wie Brunetti, als er das gehört hatte.
    »Ja. Aber es sind nur Gerüchte.«
    »Was heißt, daß es wahrscheinlich stimmt.«
    »Was?«
    »Ach, Guido, sei kein Schaf. Was kann denn deiner Meinung nach stimmen?«
    »Mit einem Priester?«
    »Warum nicht?«
    »Haben die nicht ein Gelübde abgelegt?«
    Sie stieß sich von ihm ab. »Ich kann's nicht glauben. Meinst du allen Ernstes, das ändere die Sachlage?«
    »Sollte es doch.«
    »Ja, und Kinder sollten gehorsam und ehrerbietig sein.«
    »Unsere nicht«, sagte er und lächelte.
    Er fühlte Paolas Körper beben vor Lachen. »Wie wahr! Aber im Ernst, Guido, das mit den Priestern glaubst du doch nicht wirklich, oder?«
    »Ich glaube nicht, daß sie mit irgend jemandem etwas hat.«
    »Was macht dich so sicher?«
    »Ich hab sie gesehen«, sagte er, und unvermittelt packte er Paola um die Taille und zog sie auf sich herunter.
    Paola quietschte überrascht auf, aber es klang so vergnüglich erschrocken wie bei Chiara, wenn Raffi oder er sie kitzelten. Sie zappelte, aber Brunetti schloß die Arme nur noch fester um sie und zwang sie stillzuhalten.
    Nach einer Weile sagte er: »Ich habe deine Mutter nie gekannt.«
    »Du kennst sie seit zwanzig Jahren.«
    »Nein, ich meine, ich habe sie nie als Menschen gekannt. So viele Jahre, und ich wußte gar nicht, wer sie war.«
    »Das klingt richtig traurig«, sagte Paola, wobei sie sich auf seiner Brust hochstemmte, um ihm besser ins Gesicht sehen zu können.
    Er entließ sie aus seinem Klammergriff. »Es ist ja auch traurig, einen Menschen seit zwanzig Jahren zu kennen und nicht zu wissen, wen man eigentlich vor sich hat. Soviel vertane Zeit.«
    Sie ließ sich wieder hinuntersinken und kuschelte sich zurecht, bis ihre Formen sich seinem Körper angepaßt hatten. Einmal entfuhr ihm ein

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