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Brunetti 06 - Sanft entschlafen

Brunetti 06 - Sanft entschlafen

Titel: Brunetti 06 - Sanft entschlafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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unwillkürliches »Uff«, als ihr Ellbogen sich in seinen Magen bohrte, aber dann lag sie still, und er legte die Arme wieder um sie.
    Chiara, die eine halbe Stunde später hungrig nach Hause kam und wissen wollte, was es zum Abendessen gebe, traf sie in dieser Stellung schlafend an.

8
    A m nächsten Tag erwachte Brunetti mit einem seltsamen Gefühl der Klarheit, als wäre ein plötzliches Fieber im Lauf der Nacht verflogen und er wieder zu Verstand gekommen. Er blieb noch lange im Bett und ließ sich alles durch den Kopf gehen, was er so an Informationen zusammengetragen hatte. Und statt zu dem Schluß zu kommen, daß er seine Zeit sinnvoll genutzt hatte, daß die Questura und ihre Belange bei ihm in guten Händen waren und er erfolgreich Verbrechen aufklärte, dämmerte ihm plötzlich die peinliche Erkenntnis, daß er hinter etwas hergejagt war, was alle Merkmale eines Hirngespinstes hatte. Nicht genug damit, daß er Maria Testas Geschichte unbesehen geglaubt hatte, nein, er hatte auch noch Vianello gekapert und einen Nachmittag damit vertan, Leute zu befragen, die ganz offensichtlich keine Ahnung hatten, wovon er redete, und sich schon gar keinen Reim darauf machen konnten, daß ein commissario der Polizei sich unangemeldet bei ihnen einfand.
    Patta wurde in zehn Tagen zurückerwartet, und Brunetti hatte keinen Zweifel, wie der Vice-Questore reagieren würde, wenn er erfahren sollte, womit hier Polizisten ihre Zeit verplempert hatten. Selbst in der Wärme und Geborgenheit seines Bettes konnte Brunetti schon die Eiseskälte spüren, die Patta in seinen Kommentar legen würde: »Heißt das, Sie haben dieses Märchen geglaubt, das Ihnen eine Nonne erzählt hat, eine Frau, die sich ihr ganzes Leben lang hinter Klostermauern versteckt hat? Und dann sind Sie diesen Leuten auf die Pelle gerückt und haben sie glauben gemacht, ihre Angehörigen wären ermordet worden? Haben Sie den Verstand verloren, Brunetti? Wissen Sie überhaupt, was für Leute Sie da vor sich haben?«
    Er beschloß, noch mit einem Menschen zu sprechen, bevor er die Ermittlungen einstellte, und zwar mit jemandem, der ihm vielleicht nicht Marias Geschichte, aber wenigstens ihre Zuverlässigkeit als Zeugin bestätigen könnte. Und wer kannte sie besser als der Mann, dem sie in den letzten sechs Jahren ihre Sünden gebeichtet hatte?
    Die Adresse, die Brunetti suchte, befand sich fast am äußersten Ende des sestiere Castello, unweit der Kirche San Pietro di Castello. Die ersten beiden Leute, die er auf der Straße fragte, konnten ihm nicht sagen, wo die Hausnummer zu finden war, doch als er sich nach den Patres vom Heiligen Sakrament erkundigte, bekam er prompt die Auskunft, das sei am Fuß der nächsten Brücke, zweite Tür links. So war es dann auch, bestätigt durch ein kleines Messingschild mit dem Namen des Ordens.
    Die Tür wurde nach dem ersten Klingeln von einem weißhaarigen Mann geöffnet, der das Vorbild für die in der Literatur des Mittelalters so verbreitete Figur des guten Mönches hätte abgeben können. Aus seinen Augen strahlte Freundlichkeit wie Wärme von der Sonne, und auf dem übrigen Gesicht leuchtete ein breites Lächeln, als machte es ihn wahrhaft glücklich, daß ein Fremder an seine Tür kam.
    »Kann ich Ihnen behilflich sein?« fragte er, als könnte ihm nichts eine größere Freude bereiten.
    »Ich möchte Padre Pio Cavaletti sprechen, Bruder.«
    »Ja, ja. Treten Sie näher, mein Sohn«, sagte der Mönch, wobei er die Tür noch weiter öffnete. »Vorsicht«, sagte er, nach unten zeigend und die andere Hand schon instinktiv nach Brunettis Arm ausgestreckt, um ihn zu stützen, wenn er über den Querbalken trat, der den Rahmen der schweren Holztür nach unten abschloß. Er trug das lange weiße Gewand von Suor Immacolatas Orden, darüber aber eine lehmbraune Schürze, auf der die jahrelange Arbeit mit Gras und Erde ihre Spuren hinterlassen hatte.
    Ein süßer Duft hüllte Brunetti ein, und er blieb stehen, um zu sehen, woher er kam.
    »Flieder«, erklärte der Mönch, erfreut über das sichtliche Wohlgefallen in Brunettis Miene. »Padre Pio ist ganz verrückt danach, er läßt ihn aus aller Welt kommen.« Was Brunetti bei einem neuerlichen Blick in die Runde bestätigt fand. Fliederbüsche, Fliederbäume in allen Größen und Formen füllten den ganzen Innenhof. Aber er sah nur wenige Büsche niedergebeugt von der Last dunkler Dolden; die meisten blühten noch gar nicht.
    »Daß diese wenigen so stark duften!« sagte Brunetti

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