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Brunetti 06 - Sanft entschlafen

Brunetti 06 - Sanft entschlafen

Titel: Brunetti 06 - Sanft entschlafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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Woche. Länger aber nicht.«
    »Hoffen wir, daß die vorher anbeißen.«
    »Falls überhaupt jemand beißen will«, faßte Vianello endlich doch seine Skepsis in Worte und drehte sich um.
    Brunetti sah seinem breiten Rücken noch nach, bis er an der ersten Treppe nach rechts abbog und verschwand, dann ging er wieder ins Zimmer. Er hängte seinen Mantel über den Stuhl, auf dem Vianello gesessen hatte, und stellte den Schirm in eine Ecke.
    Neben ihrem Bett brannte ein kleines Lämpchen, das kaum ihren Kopf beleuchtete und den Rest des Zimmers in tiefem Schatten ließ. Brunetti glaubte nicht, daß die Deckenlampe die Frau im Bett stören würde - es wäre ja sonst sogar ein gutes Zeichen gewesen -, aber er mochte sie dennoch nicht anknipsen, also setzte er sich in den Schatten und verzichtete aufs Lesen, obwohl er seinen Marc Aurel mitgebracht hatte, einen Autor, der ihm schon so manchen Trost in schwierigen Zeiten gespendet hatte.
    Während die Nachtstunden langsam dahinrannen, ließ Brunetti noch einmal die Ereignisse seit dem Tag, an dem Maria Testa zu ihm in die Questura gekommen war, im Geiste vorüberziehen. Jedes einzelne konnte bloßer Zufall gewesen sein: die Sterbefälle unter den Alten, der Unfall, bei dem Maria vom Fahrrad geschleudert worden war, da Prés Tod. Aber alle zusammen wogen so schwer, daß sich für Brunetti jeder Gedanke an Unfall oder Zufälligkeiten verbot. Und wenn das ausgeschlossen war, dann standen diese drei Dinge miteinander in Verbindung, auch wenn er noch nicht wußte, in welcher.
    Messini riet den Leuten davon ab, ihm oder dem Pflegeheim Geld zu vermachen; Padre Pio wurde in keinem der Testamente genannt, und die Schwestern des Ordens durften nichts besitzen. Die Contessa hatte selbst genug Geld und war auf die Hinterlassenschaft ihres Mannes kaum angewiesen; da Pré hatte keine anderen Wünsche als noch mehr kleine Döschen für seine Sammlung; und Signorina Lerini schien allem weltlichen Pomp abgeschworen zu haben. Cui bono? Cui bono? Man mußte nur noch herausfinden, wer aus diesen Todesfällen einen Nutzen zog, dann läge der Weg offen vor ihm, wie von einem fackeltragenden Engel erhellt, und würde ihn zu dem Mörder führen.
    Brunetti wußte, daß er ein Mann mit vielen Schwächen war: Stolz, Trägheit und Rachsucht, um nur die zu nennen, die er für die offenkundigsten hielt, aber er wußte auch, daß Habgier nicht dazugehörte, und immer wenn er sich mit ihren vielen Ausdrucksformen konfrontiert sah, fühlte er sich in einer fremden Welt. Er wußte, daß Habgier ein verbreitetes, vielleicht das verbreitetste aller Laster war, und konnte sie ja auch mit dem Verstand begreifen, aber sie drang ihm nie bis ans Herz und ließ seinen Verstand völlig kalt.
    Er sah zu der Frau im Bett, die so völlig reglos und still dalag. Keiner der Ärzte hatte eine Ahnung vom Ausmaß des Schadens, von den körperlichen Schäden abgesehen. Einer hatte es unwahrscheinlich genannt, daß sie je wieder aus dem Koma erwachen würde. Ein anderer hielt es für wahrscheinlich, daß sie schon in ein paar Tagen wieder aufwachen könnte. Die weiseste Antwort hatte vielleicht eine der hier arbeitenden Schwestern gegeben: »Wir müssen hoffen und beten und auf Gottes Güte vertrauen.«
    Während er sie so ansah und sich erinnerte, welch tiefe Nächstenliebe immer aus ihren Augen gestrahlt hatte, wenn sie sprach, kam eine andere Schwester herein. Sie ging ans Bett, stellte das Tablett, das sie bei sich hatte, auf das Tischchen neben Marias Bett und faßte ihr Handgelenk. Den Blick auf ihrer Armbanduhr, hielt sie Marias Handgelenk ein paar Augenblicke fest, legte es dann wieder auf die Bettdecke und trug ihren Befund auf dem Krankenblatt ein, das am Fußende des Bettes hing.
    Sie nahm ihr Tablett und ging zur Tür. Als sie Brunetti sah, nickte sie, lächelte aber nicht.
    Sonst geschah die ganze Nacht nichts. Gegen sechs Uhr kam dieselbe Schwester wieder ins Zimmer, wo Brunetti inzwischen an die Wand gelehnt stand, um wach zu bleiben.
    Um zwanzig vor acht kam Gravini in hohen Gummistiefeln, Regenmantel und Jeans herein. Noch bevor er guten Morgen gesagt hatte, erklärte er Brunetti: »Sergente Vianello hat gemeint, wir sollten lieber keine Uniform tragen, Commissario.«
    »Ja, ich weiß, Gravini. In Ordnung so.« Das einzige Fenster des Zimmers blickte in einen überdachten Durchgang, so daß Brunetti nicht sehen konnte, wie das Wetter geworden war. »Wie sieht's denn draußen aus?« fragte er.
    »Es schüttet,

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