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Brunetti 06 - Sanft entschlafen

Brunetti 06 - Sanft entschlafen

Titel: Brunetti 06 - Sanft entschlafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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Brunettis Interesse an Maria Testa erfahren. Und was noch interessanter war: Zu diesem Jemand mußte irgendwie durchgedrungen sein, daß die junge Frau ihr Bewußtsein wiedererlangt habe. Während er die Treppe zu seinem Zimmer hinaufging, huschte ein ganz kurzes Lächeln über Brunettis Gesicht.

20
    B eim Mittagessen fand Brunetti die Stimmung der übrigen Familie ebenso gedämpft wie die Laune, die er aus der Questura mitbrachte. Er schrieb Raffis Schweigen irgendwelchen Problemen in der Entwicklung seiner Romanze mit Sara Paganuzzi zu; Chiara litt vielleicht noch immer unter dem Schatten, der auf die Vollkommenheit ihrer schulischen Leistungen gefallen war. Der Grund für Paolas düstere Laune war wie immer am schwersten auszumachen.
    Die Frotzeleien, mit denen sie sich sonst ihre gegenseitige Zuneigung zeigten, blieben aus. Statt dessen redeten sie irgendwann doch tatsächlich übers Wetter und, als ob das nicht schon schlimm genug wäre, sogar über Politik. Alle waren sichtlich erleichtert, als die Mahlzeit zu Ende ging. Die Kinder, höhlenbewohnenden Tieren gleich, die vom Widerschein ferner Blitze erschreckt worden waren, verzogen sich schleunigst in ihre Zimmer. Brunetti, der die Zeitung schon gelesen hatte, ging ins Wohnzimmer und begnügte sich damit, den Regen auf die Dächer prasseln zu sehen.
    Als Paola nachkam, brachte sie Kaffee mit, und Brunetti beschloß, es als ein Friedensangebot zu betrachten, obwohl er nicht genau wußte, welche Art von Vertragsabschluß damit verbunden werden sollte. Er nahm den Kaffee und bedankte sich. Dann trank er einen Schluck und fragte: »Nun?«
    »Ich habe mit meinem Vater gesprochen«, sagte Paola, während sie sich aufs Sofa setzte. »Er war der einzige, der mir einfiel.«
    »Und was hast du ihm gesagt?« fragte Brunetti.
    »Was Signora Stocco zu mir gesagt hat, und was die Kinder erzählt haben.«
    »Über Don Luciano?«
    »Ja.«
    »Und?«
    »Er hat gesagt, er will sich darum kümmern.«
    »Hast du ihm irgend etwas über Padre Pio erzählt?« fragte Brunetti.
    Sie sah auf, erstaunt über die Frage. »Nein, natürlich nicht. Wie kommst du darauf?«
    »Ach, nur so«, sagte er.
    »Guido«, begann sie und stellte ihre leere Tasse auf den Tisch. »Du weißt, daß ich mich nicht in deine Arbeit einmische. Wenn du meinen Vater nach Padre Pio oder Opera Pia fragen willst, mußt du es schon selbst tun.«
    Brunetti hatte kein Verlangen, seinen Schwiegervater in diese Sache einzuschalten, in keiner Weise. Er wollte Paola aber nicht sagen, daß der Grund für dieses Zögern seine Zweifel waren, welcher Seite sich Conte Orazio zur Loyalität verpflichtet fühlen würde, Brunettis Beruf oder Opera Pia. Sowenig Brunetti wußte, wie groß der Reichtum und die Macht des Conte waren, so wenig wußte er über deren Ursprung und die Beziehungen oder Verpflichtungen, die sie möglich machten. »Hat er dir geglaubt?« fragte er.
    »Natürlich hat er mir geglaubt. Wieso fragst du das überhaupt?«
    Brunetti versuchte sich mit einem Achselzucken herauszuwinden, aber ein Blick von Paola verwehrte ihm diese Chance. »Es ist ja nicht so, daß du die allerzuverlässigsten Zeugen hättest.«
    »Wie meinst du das?« fragte sie in scharfem Ton.
    »Kinder reden schlecht von einem Lehrer, der einem von ihnen eine schlechte Note gegeben hat. Dann das Wort eines Kindes, gefiltert durch eine Mutter, die bei eurem Gespräch offenkundig hysterisch war.«
    »Was willst du eigentlich, Guido, den advocatus diaboli spielen? Du hast mir diese Akte aus dem Amt des Patriarchen gezeigt. Was denkst du denn, was dieser Schweinehund die ganzen Jahre gemacht hat? Tausendlirescheine aus dem Opferstock geklaut?«
    Brunetti schüttelte den Kopf. »Nein, ich habe keinen Zweifel, nicht den geringsten, was er getan hat, aber das ist nicht dasselbe, wie einen Beweis zu haben.«
    Paola tat das mit einer Handbewegung als Unsinn ab. »Ich werde ihm das Handwerk legen«, sagte sie mit unverhohlener Angriffslust.
    »Oder nur dafür sorgen, daß er wieder versetzt wird?« fragte Brunetti. »Wie die es jahrelang mit ihm gemacht haben?«
    »Ich habe gesagt, ich will ihm das Handwerk legen, und das werde ich auch tun«, wiederholte Paola, jede Silbe einzeln betonend wie für einen Tauben.
    »Gut«, sagte Brunetti. »Ich hoffe es. Ich hoffe, du kannst das.«
    Zu seiner maßlosen Verblüffung antwortete Paola mit einem Bibelzitat: »›Wer aber eines aus diesen Kleinen, die an mich glauben, ärgert, dem wäre es besser, daß ein

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