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Brunetti 06 - Sanft entschlafen

Brunetti 06 - Sanft entschlafen

Titel: Brunetti 06 - Sanft entschlafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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und ich besuche sie zwei- bis dreimal im Jahr. Ich finde es einfach praktischer, das Geld dort zu haben, statt es mit mir hin- und herzuschleppen.«
    »Und wieviel Geld haben Sie auf diesem Konto, Padre?«
    Cavaletti blickte in die Ferne und rechnete, schließlich antwortete er: »Es werden keine tausend Franken sein.« Und hilfsbereit fügte er hinzu: »Das sind rund eine Million Lire.«
    »Ich kann Lire in Schweizer Franken umrechnen, Padre. Es gehört zu den ersten Dingen, die ein Polizist hierzulande lernen muß.« Brunetti lächelte, um dem Pater zu zeigen, daß es ein Scherz war, aber Cavaletti erwiderte das Lächeln nicht.
    Brunetti stellte seine nächste Frage: »Warum wurden Sie von Opera Pia ausgeschlossen?«
    Cavaletti ließ seinen Rosenkranz los und hob die Hände, streckte sie Brunetti mit theatralisch flehender Gebärde entgegen. »Aber Commissario, was stellen Sie doch für sonderbare Fragen! Wenn ich nur wüßte, welche Zusammenhänge da in Ihrem Kopf bestehen!«
    »Das ist keine Antwort, Padre.«
    Nach einem langen Schweigen sagte Cavaletti: »Man hat mich für außerstande befunden, ihren hohen Ansprüchen gerecht zu werden.« Er sagte es ohne jede Ironie, und Brunetti meinte sogar so etwas wie Bedauern herauszuhören.
    Brunetti stand auf. »Das wäre alles, Padre. Ich danke Ihnen, daß Sie sich Zeit für mich genommen haben.«
    Zum erstenmal konnte der Pater seine Überraschung nicht verbergen und starrte Brunetti ein paar Sekunden lang nur an. Dann beeilte er sich jedoch, aufzuspringen und mit ihm zur Tür zu gehen, die er aufhielt, bis Brunetti aus dem Zimmer war.
    Auf dem Flur gewahrte Brunetti zweierlei: den Blick des Paters, der sich in seinen Rücken bohrte, und kurz vor der offenen Tür am Ende des Ganges den schweren, betörenden Duft des Flieders, der vom Hof hereinwehte. Keines von beiden fand er angenehm.

19
    K urz nach drei Uhr morgens trennte Brunetti sich schweren Herzens von Paola und dem Bett und zog sich an. Erst als er sein Hemd zuknöpfte, war er klar genug im Kopf, um den Regen gegen die Schlafzimmerfenster peitschen zu hören. Brummelnd ging er zum Fenster, öffnete den Laden und schloß ihn schnell wieder vor den nassen Böen, die ins Zimmer fegten. An der Wohnungstür zog er seinen Regenmantel an und griff sich einen Schirm, wobei Vianello ihm einfiel und er noch einen zweiten nahm.
    In Maria Testas Zimmer traf er, obwohl er fast eine halbe Stunde vor der vereinbarten Zeit da war, auf einen übermüdeten und schlechtgelaunten Vianello. In stillschweigender Übereinkunft näherte keiner der beiden Männer sich der schlafenden Frau, als wäre ihre totale Hilflosigkeit eine Art Flammenschwert, das sie auf Abstand hielt. Sie begrüßten sich flüsternd und gingen dann in den Korridor hinaus, um sich zu unterhalten.
    »Irgendwas Besonderes?« fragte Brunetti, während er seinen Regenmantel auszog und beide Schirme an die Wand lehnte.
    »Etwa alle zwei Stunden kommt eine Schwester«, antwortete Vianello. »Soweit ich das beurteilen kann, tut sie aber nichts. Guckt sie nur an, fühlt ihr den Puls und schreibt etwas aufs Krankenblatt.«
    »Sagt sie etwas?«
    »Wer, die Schwester?« fragte Vianello.
    »Ja.«
    »Kein Wort. Tut so, als ob ich unsichtbar wäre.« Vianello gähnte. »Gar nicht so einfach, wach zu bleiben.«
    »Warum machen Sie nicht ein paar Liegestütze?«
    Vianello sah Brunetti lange an, sagte aber nichts.
    »Danke, daß Sie da waren, Vianello«, entschuldigte Brunetti sich gewissermaßen. »Ich habe Ihnen einen Schirm mitgebracht. Es schüttet wie aus Kübeln.« Als Vianello dankend nickte, fragte Brunetti: »Wer kommt als nächster?«
    »Gravini. Danach Pucetti. Ich löse dann Pucetti nach seiner Schicht ab.« Brunetti bemerkte, wie feinfühlig Vianello die Zeitangabe umging - Mitternacht -, wann er den jüngeren Beamten ablösen würde.
    »Danke, Vianello. Schlafen Sie ein bißchen.«
    Vianello nickte und unterdrückte mühsam ein Gähnen. Dann nahm er den zusammengerollten Schirm.
    Als Brunetti die Tür aufmachte, um wieder ins Zimmer zu gehen, drehte er sich noch einmal um und fragte Vianello: »Gab es Probleme mit der Besetzung?«
    »Noch nicht«, antwortete Vianello, schon halb im Gehen, über die Schulter.
    »Wie lange?« fragte Brunetti, der nicht recht wußte, wie er die Manipulation der Dienststundenabrechnung nennen sollte.
    »Kann man nie wissen, aber ich schätze mal, es dauert noch drei oder vier Tage, bis Tenente Scarpa etwas merkt. Vielleicht auch eine

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