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Brunetti 06 - Sanft entschlafen

Brunetti 06 - Sanft entschlafen

Titel: Brunetti 06 - Sanft entschlafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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nicht gestatten, sich Seinem gerechten Zorn zu entziehen«, redete Signorina Lerini mit von Leidenschaft bewegter Stimme weiter. »Seine Feinde sollen verdammt und vernichtet werden.« Sie hob die linke Hand und richtete einen zitternden Finger auf Brunetti. »Sie meinen, Sie könnten verhindern, daß Gottes Wille erfüllt werde. Sie Narr! Er ist größer als wir alle. Sein Wille wird geschehen.«
    Im hellen Licht, das jetzt das Zimmer erfüllte, sah der Arzt das Blut, das vom Arm des Mannes tropfte, und den Speichel, der aus dem Mund der Frau sprühte. Sie redete wieder, diesmal zu dem Arzt und der Schwester. »Ihr habt einen Gottesfeind beherbergt, ihr habt dieser Frau Hilfe und Trost gespendet, obwohl ihr wußtet, daß sie ein Feind Gottes ist. Aber einer, der klüger ist als ihr, hat alle eure Pläne durchschaut, dem Gesetz Gottes zu trotzen, und er hat mich gesandt, um der Sünderin Gottes Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.«
    Der Arzt wollte wieder fragen: »Was geht hier...«, aber Brunetti brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen.
    Er ging zu Signorina Lerini und legte ihr sanft die Hand auf den Arm. Mit leiser, einschmeichelnder Stimme begann er mit ihr zu sprechen. »Die Wege des Herrn sind vielfältig, meine Schwester. Eine andere wird gesandt werden. Ihre Stelle einzunehmen, und dann sollen alle Seine Werke erfüllt werden.«
    Signorina Lerini blickte ihn jetzt an, und er sah ihre geweiteten Pupillen und den aufgerissenen Mund. »Sind Sie auch vom Herrn gesandt?« fragte sie.
    »Sie sagen es«, antwortete Brunetti. »Schwester in Christo, Ihre früheren Werke sollen nicht unbelohnt bleiben«, versuchte er ihr ein Stichwort zu geben.
    »Sünder! Beide waren Sünder und hatten Gottes Strafe verdient.«
    »Viele sagen, daß Ihr Vater ein gottloser Mensch war und des Herrn gespottet hat. Gottes Liebe ist allumfassend und geduldig, aber Er läßt Seiner nicht spotten.«
    »Noch im Sterben hat er Gott verhöhnt«, sagte sie, und blankes Entsetzen trat dabei in ihren Blick. »Noch als ich sein Gesicht zudeckte, hat er Gott verhöhnt.«
    Brunetti hörte hinter sich die Krankenschwester und den Arzt miteinander tuscheln. Er drehte den Kopf zu ihnen um und befahl: »Ruhe!« Sie gehorchten, erschreckt von seinem Ton und von dem Irrsinn im Blick der Frau. Er wandte sich wieder Signorina Lerini zu.
    »Aber es mußte sein«, half er nach. »Es war Gottes Wille.«
    Ihre Züge entspannten sich. »Sie verstehen das?«
    Brunetti nickte. Der Schmerz in seinem Arm wurde von Minute zu Minute stärker, und als er einmal nach unten blickte, sah er die Blutlache unter seiner Hand. »Und sein Geld?« fragte er. »Es wurde stets viel benötigt, um die Feinde Gottes zu bekämpfen.«
    Ihre Stimme wurde jetzt fester. »Ja. Die Schlacht hat begonnen und muß ausgefochten werden, bis wir das Reich Gottes zurückerobert haben. Der Lohn der Gottlosen muß in die Hände der Diener Gottes gelangen, auf daß sie Sein heiliges Werk verrichten können.«
    Er wußte nicht, wie lange er die Krankenschwester und den Arzt hier noch gewissermaßen als Geiseln festhalten konnte, deshalb riskierte er jetzt die Behauptung: »Nostro signore hat mir von Ihrer Großzügigkeit berichtet.«
    Sie honorierte diese Enthüllung mit einem seligen Lächeln. »Ja. Er hat mir gesagt, daß die Reichtümer meines Vaters sofort benötigt würden. Das Warten hätte noch Jahre dauern können. Gottes Befehlen ist zu gehorchen.«
    Er nickte, als fände er es vollkommen begreiflich, daß ein Priester ihr befohlen haben sollte, ihren Vater zu ermorden. »Und da Pré?« fragte er so beiläufig, als handelte es sich nur um ein unbedeutendes Detail, etwa die Farbe eines Halstuchs. »Dieser Sünder«, fügte er noch hinzu, was aber gar nicht nötig gewesen wäre.
    »Er hatte mich gesehen, an dem Tag, als ich meinem sündigen Vater Gottes Gerechtigkeit widerfahren ließ. Aber er hat mich erst später angesprochen.« Sie beugte sich kopfnickend zu Brunetti vor. »Auch er war ein sündiger Mensch. Habgier ist eine schreckliche Sünde.«
    Hinter sich hörte er eilige Schritte, und als er sich umsah, waren die Krankenschwester und der Arzt verschwunden. Er hörte sie über den Korridor davoneilen und dann in der Ferne laute Stimmen.
    Er machte sich die durch ihre Flucht entstandene kurze Verwirrung zunutze, um wieder auf die casa di cura zu kommen, und fragte: »Und diese anderen? Die Leute, die mit Ihrem Vater dort waren - welche Sünden hatten sie begangen?«
    Bevor er

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