Brunetti 07 - Nobiltà
selbst gesagt, was drin war.«
»Schon, aber ich will wissen, wie es transportiert wurde, in welcher Form.«
»Kleine Kügelchen. Sie sehen aus wie Kaninchenköttel, nur kleiner.« Der Conte hielt Daumen und Zeigefinger der rechten Hand hoch, um Brunetti die Größe zu zeigen, und wiederholte: »Kaninchenköttel.«
Brunetti schwieg; die Erfahrung hatte ihn gelehrt, dass es einen Zeitpunkt gab, da man die Leute in Ruhe lassen musste, damit sie nach eigenem Ermessen weiterreden konnten, sonst verstummten sie.
Schließlich fuhr der Conte fort: »Er hat den Koffer dann wieder zugemacht, aber er war lange genug offen gewesen.«
Lange genug wofür, brauchte er nicht zu erklären. Brunetti hatte ja gelesen, welche Symptome das bei Roberto ausgelöst hatte.
»Wann haben Sie erfahren, dass er den Koffer geöffnet hatte?«
»Nachdem wir das Material weitergeschickt hatten, an unseren Kunden. Der rief mich an, um mir zu sagen, dass am Schloss manipuliert worden war. Aber das war erst knapp zwei Wochen später. Die Sendung war per Schiff weitergegangen.«
Brunetti ließ das vorläufig auf sich beruhen. »Und wann traten die ersten Probleme bei ihm auf?«
»Probleme?«
»Symptome.«
Der Conte nickte. »Ach so.«
Nach kurzer Pause sprach er weiter.
»Etwa nach einer Woche. Zuerst dachte ich, es wäre eine Grippe oder so etwas. Wir hatten ja noch nichts von unserem Käufer gehört. Aber dann ging es ihm immer schlechter. Und ich erfuhr, dass der Koffer geöffnet worden war. Es gab nur eine Erklärung.«
»Haben Sie ihn gefragt?«
»Nein, nein. Das war nicht nötig.«
»Hat er mit jemandem darüber gesprochen?«
»Ja, wie gesagt, mit Maurizio. Aber erst, als es ihm schon sehr schlecht ging.«
»Und dann?« Der Conte blickte auf seine Hände herunter und hielt wieder den Daumen und Zeigefinger der Rechten auseinander, als wollte er noch einmal die Größe der Kügelchen anzeigen, die seinen Sohn getötet hatten, oder zu dem Mord an ihm geführt hatten. Er sah auf. »Und dann wusste ich, was ich tun musste«
»Musste?« fragte Brunetti, bevor er sich eines anderen besinnen konnte.
»Ja.« Zuerst schien es, als wollte der Conte das nicht weiter erklären, aber er fuhr fort »Wenn herausgekommen wäre, was ihm fehlte, dann wäre auch alles übrige herausgekommen, das mit den Transporten.«
»Ich verstehe«, sagte Brunetti mit einem Nicken.
»Es hätte uns ruiniert, es hätte Schande über uns gebracht. Das konnte ich nicht zulassen. Nicht nach all den Jahren. Den Jahrhunderten.«
»Aha«, machte Brunetti leise.
»Da habe ich beschlossen, was zu tun war, und mich mit diesen Männern in Verbindung gesetzt, Frasetti und Mascarini.«
»Wessen Idee war es, das so zu machen?«
Der Conte wischte das als unwichtig beiseite. »Ich habe ihnen gesagt, was zu tun war. Wichtig war mir vor allem, dass meine Frau nicht zu leiden hatte. Wenn sie erfahren hätte, was Roberto machte, was seinen Tod verursacht hatte... ich weiß nicht, was mit ihr passiert wäre.« Er sah noch einmal zu Brunetti und dann wieder auf seine Hände. »Aber jetzt weiß sie es.«
»Woher?«
»Sie hat mich mit Maurizio gesehen.«
Brunetti dachte an die gebeugte Vogelfrau, die mageren Hände um den Griff ihres Stocks geklammert. Der Conte hatte ihr Leid und Schande ersparen wollen. Aha.
»Und die Entführer? Warum haben sie keine dritte Lösegeldforderung geschickt?«
»Weil er gestorben war«, antwortete der Conte mit tonloser Stimme.
»Roberto? Gestorben?«
»Das haben sie mir gesagt.«
Brunetti nickte, als ob er das verstehen könnte und mit Sympathie dem verschlungenen Pfad folgte, den der Conte ihn führte. »Und?« fragte er nur.
»Ich habe ihnen gesagt, sie müssen ihm eine Kugel in den Kopf schießen, damit es aussieht, als wäre das die Todesursache.« Während der Conte fortfuhr, das alles zu erklären, wurde Brunetti allmählich klar, dass der Mann von der inneren Logik und der Richtigkeit alles dessen, was er getan hatte, vollkommen überzeugt war. Aus seinem Ton war kein Zweifel zu hören, keine Unsicherheit.
»Aber warum haben die ihn dann bei Belluno begraben?«
»Einer der beiden hat dort im Wald eine kleine Hütte, für die Jagdsaison. Dort haben sie Roberto gefangen gehalten, und als er starb, habe ich gesagt, sie sollen ihn da begraben.« Das Gesicht des Conte bekam vorübergehend einen weichen Zug. »Aber ich habe gesagt, sie sollen ihn in ein flaches Grab legen. Mit seinem Ring.« Als er Brunettis Verwirrung sah, erklärte
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