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Brunetti 07 - Nobiltà

Brunetti 07 - Nobiltà

Titel: Brunetti 07 - Nobiltà Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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aber er konnte sich nicht entsinnen, daß hier jemals Schafe gehalten worden wären.
    Neugierig verlangsamte er den Traktor, denn aus irgendeinem Grund mochte er über den Knochen nicht einfach hinwegfahren und ihn zerbrechen.
    Er schaltete in den Leerlauf und hielt an. Nachdem er die Handbremse gezogen hatte, stieg er von seinem metallenen Sitz und ging zu dem schräg in den Himmel weisenden Knochen. Schon wollte er sich bücken, um ihn aus dem Weg zu räumen, da zögerte er plötzlich, richtete sich wieder auf und versuchte ihn mit einem Stiefeltritt aus dem Erdreich zu lösen. Der Knochen ließ sich nicht bewegen, worauf Buschetti wieder zu seinem Traktor ging, wo er hinter dem Sitz eine Schaufel klemmen hatte. Beim Umdrehen fiel sein Blick auf ein weiß schimmerndes Oval, das ein Stückchen weiter in der Furche lag. Kein Pferd, kein Schaf hatte je aus einem so runden Schädel geblickt, noch würden sie ihn mit diesem scharfen Fleischessergebiß angrinsen, das seinem eigenen so beängstigend glich.

2
    Nie verbreiten sich Neuigkeiten auf dem Lande schneller, als wenn sie mit Tod oder Unglück zu tun haben, und so hatte sich die Kunde, daß im Garten des alten Orsez-Hauses menschliche Gebeine gefunden worden waren, noch vor dem Abendessen überall in Col di Cugnan verbreitet. Seit vor sieben Jahren der Sohn des Bürgermeisters bei diesem Verkehrsunfall unten bei der Zementfabrik ums Leben gekommen war, hatte keine Nachricht mehr so schnell die Runde gemacht; selbst die Geschichte von Graziella Rovere und dem Elektriker hatte zwei Tage gebraucht, um sich herumzusprechen. Aber an diesem Abend schalteten die Dörfler, alle vierundsiebzig, ihren Fernseher aus oder übertönten ihn, während sie beim Essen hin und her spekulierten, wie es sich zugetragen haben mochte und, noch interessanter, wer es war.
    Die Nachrichtensprecherin von RAI3, die Blonde mit dem Nerzpullover, die jeden Abend eine andere Brille trug, blieb unbeachtet, als sie die neuesten Schreckensmeldungen aus Ex-Jugoslawien verlas, und niemand interessierte sich einen Deut für die Festnahme des früheren Innenministers wegen Korruption. Beides war inzwischen Normalität, aber ein Schädel in einer Ackerfurche hinter dem Haus des Ausländers, das war eine Neuigkeit. Bis zur Schlafenszeit war der Schädel schon abwechselnd durch einen Axthieb oder eine Kugel zertrümmert worden oder wies Anzeichen dafür auf, daß jemand versucht habe, ihn in Säure aufzulösen. Die Polizei sollte festgestellt haben, daß es sich um die Knochen einer Schwangeren, eines jungen Burschen oder des Ehemannes von Luigina Menegaz handelte, der vor zwölf Jahren nach Rom gegangen war, worauf man nie wieder etwas von ihm gehört hatte. In dieser Nacht schlössen die Bewohner von Col di Cugnan ihre Türen ab, und diejenigen, die schon vor Jahren ihre Schlüssel verlegt und nie danach gesucht hatten, schliefen unruhiger als die anderen.
    Arn nächsten Morgen um acht kamen zwei mit Carabinieri besetzte Geländewagen zum Haus von Doktor Litfin, fuhren über den frisch eingesäten Rasen und parkten rechts und links von den beiden langen, tags zuvor gepflügten Furchen. Erst eine Stunde später brachte ein Wagen aus der Provinzhauptstadt Belluno den medico legale. Er hatte von den Gerüchten über die Todesursache oder die Identität des Toten, dessen Knochen hier lagen, nichts mitbekommen und tat darum das Naheliegende: Er ließ seine beiden Assistenten die Erde nach weiteren Überresten durchsieben.
    Während diese Arbeit langsam ihren Lauf nahm, fuhr bald der eine, bald der andere Carabinieriwagen über den binnen kurzer Zeit verwüsteten Rasen zurück in den Ort, wo die sechs Beamten erst einmal in der kleinen Bar Kaffee tranken und anschließend bei den Dorfbewohnern herumfragten, ob jemand vermißt werde. Daß die Knochen offenbar schon seit Jahren in der Erde lagen, hielt sie nicht davon ab, sich nur nach neuesten Geschehnissen zu erkundigen, und so blieben ihre Nachforschungen ergebnislos.
    Auf dem Feld unterhalb des Dorfes hatten Doktor Bortots Gehilfen ein feinmaschiges Sieb schräg aufgestellt. Langsam schütteten sie eimerweise Erde hindurch und bückten sich hin und wieder, um einen kleinen Knochen herauszuholen, oder was danach aussah. Den zeigten sie dann ihrem Chef, der mit den Händen auf dem Rücken neben der Furche stand. Zu seinen Füßen lag eine lange Plastikfolie, und sowie man ihm einen Knochen gezeigt hatte, sagte er seinen Gehilfen, an welche Stelle er gelegt

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