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Brunetti 10 - Das Gesetz der Lagune

Brunetti 10 - Das Gesetz der Lagune

Titel: Brunetti 10 - Das Gesetz der Lagune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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jahrhundertelang ernährt und würden uns in alle Ewigkeit ernähren. Aber die wühlen und wühlen wie die wilden Tiere und machen alles kaputt.«
    Brunetti erinnerte sich an das Mittagessen auf Pellestrina. »Vianello ißt ja schon keine Muscheln mehr.«
    »Ach, Vianello«, meinte Bonsuan wegwerfend. »Der tut das aus Gesundheitsgründen.« Es klang aus Bonsuans Mund wie etwas Unanständiges.
    Brunetti, der nicht recht wußte, was für eine Reaktion jetzt von ihm erwartet wurde, fragte: »Kann man sie denn wenigstens ohne Bedenken essen?«
    Bonsuan zuckte die Achseln. »In meinem Alter kann man wohl alles ohne Bedenken essen.« Er dachte kurz nach, bevor er weitersprach. »Nein, ich glaube, manche kann man nicht mehr ohne Bedenken essen. Die Schweine buddeln sie unmittelbar vor Porto Marghera aus, und weiß der Himmel, was die da alles ins Wasser laufen lassen. Ich habe sie selbst schon gesehen, die Schweine, wie sie nachts dort ankerten, ohne Lichter, und das Zeug raufholten, keine fünfzig Meter von dem Schild entfernt, auf dem steht, daß wegen Meeresverschmutzung das Fischen dort verboten ist.«
    »Aber wer will denn so etwas essen?« fragte Brunetti, der sich wieder an die Muscheln erinnert fühlte, die er auf Pellestrina gegessen hatte.
    »Niemand, der Bescheid weiß«, antwortete der Bootsführer. »Aber wer weiß schon Bescheid? Wer weiß denn überhaupt noch, wo die Sachen auf dem Markt herkommen? Ein Berg Muscheln ist ein Berg Muscheln.« Bonsuan sah zu ihm auf und lächelte. »Kein Paß, kein Versicherungskärtchen.«
    »Aber gibt's denn keine Kontrollen? Untersucht sie keiner?«
    Bonsuan lächelte. Wie konnte einer, der nicht mehr der Jüngste war, so arglos sein? Er ließ sich zu keiner Antwort herab.
    »Wirklich, Bonsuan, sagen Sie mir das mal«, beharrte Brunetti. »Gibt es keine Gesundheitsinspektoren?« Noch während er die Frage stellte, merkte er, wie wenig er über diese Materie wußte. Er hatte schon als Junge in der Lagune geangelt, aber über die gewerbsmäßige Fischerei in diesem Gewässer wußte er gar nichts.
    »Es gibt Inspektoren aller Art, Dottore«, antwortete Bonsuan. Er hob die rechte Hand und zählte sie an den Fingern ab. »Es gibt Inspektoren, die Stichproben von dem Fisch nehmen sollen, der schon auf dem Markt ist: Sind diese Fische wirklich frisch, die da als frisch verkauft werden? Dann gibt es Inspektoren, die prüfen sollen, ob im Fisch irgendwelche gefahrlichen Substanzen sind: Schwermetalle, Gifte und sonstige Chemikalien - alles, was aus unseren Fabriken so in die Lagune fließt. Dann gibt es die Inspektoren vom Magistrato Alle Acque, die aufpassen sollen, daß die Fischer nur da fischen, wo sie fischen dürfen.« Er schloß die Hand zur Faust und fuhr fort: »Das sind nur die, von denen ich weiß, aber ich bin sicher, wenn Sie mal hingucken, finden Sie noch alle möglichen anderen Inspektoren. Das heißt aber noch lange nicht, daß wirklich einmal etwas inspiziert wird, oder wenn, daß ein Befund je weitergemeldet würde.«
    »Warum nicht?« fragte Brunetti.
    Bonsuans Lächeln war das Mitleid selbst. Doch statt zu antworten, begnügte er sich mit einer Geste von Daumen und Zeigefinger.
    »Aber wer zahlt?« ließ Brunetti nicht locker.
    »Lassen Sie einmal Ihre Phantasie spielen, Dottore. Jeder, der etwas tut, was die Leute nicht wissen sollen, oder was seinem Geschäft schaden würde, wenn die Leute es wüßten: Wer ein Boot besitzt oder einen Fischstand am Rialto, oder wer kontaminierte Flundern nach Japan oder in andere fischhungrige Länder liefert.«
    »Wissen Sie das ganz genau, Bonsuan?«
    »Meinen Sie, ob ich weiß, daß solche Sachen ablaufen, oder ob ich die Namen von Leuten kenne, die so etwas machen?«
    »Beides.«
    Bonsuan sah seinen Vorgesetzten lange nachdenklich an, bevor er antwortete. »Also, wenn ich mal scharf darüber nachdenken sollte, würden mir wahrscheinlich ein paar Namen von Leuten einfallen - Freunden von mir -, die in der Lagune arbeiten und möglicherweise schon einmal Geld gegeben haben, damit irgend jemand irgend etwas übersah. Und wenn ich mich ein bißchen umhören sollte, würde ich wohl auch auf die Namen von Leuten stoßen, die das Geld bekommen haben.« Er verstummte.
    »Aber?«
    »Aber zwei Neffen von mir sind Fischer und haben eigene Boote. Und ich werde in zwei Jahren pensioniert.«
    Als Brunetti merkte, daß der Bootsführer von sich aus nicht mehr dazu sagen würde, half er nach: »Und das heißt?«
    »Es heißt, daß mein Leben

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