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Brunetti 10 - Das Gesetz der Lagune

Brunetti 10 - Das Gesetz der Lagune

Titel: Brunetti 10 - Das Gesetz der Lagune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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Wieviel schlimmer konnte sie noch dran sein? »Ich verstehe die Frage nicht.«
    »Sie haben doch die Leiche gesehen, nicht?« erkundigte der Bootsführer sich geduldig.
    »Ja.«
    »Wie stark war sie beschädigt?«
    »Die Augen waren weg.«
    Bonsuan nickte, als hätte er das erwartet. »Und Arme und Beine? Sah sie aus, wie wenn sie über den Grund geschleift worden wäre?«
    Brunetti rief sich widerstrebend das Bild vor Augen, das Signora Follini geboten hatte. »Sie hatte einen Pullover und Hosen an, so daß ich ihre Arme und Beine nicht sehen konnte. Aber ich habe keine Verletzungen an Händen oder Gesicht gesehen. Abgesehen von den Augen.«
    Bonsuan beugte sich mit einem Grunzlaut über die Karte. »Gegen acht wurde sie hereingebracht, ja?«
    »Da habe ich den Anruf bekommen.« Brunetti überraschte sich selbst damit, daß er nicht einmal gegenüber dem Bootsführer erwähnte, daß der Anruf von Pucetti gekommen war. Vielleicht war das ja der Beginn einer echten Paranoia.
    »Sie haben keine Ahnung, seit wann sie im Wasser war?«
    »Nein.«
    Bonsuan erhob sich und ging zu einer Büchervitrine, einem Relikt aus früheren Zeiten. Er zog die Tür auf, nahm ein dünnes, in Papier eingeschlagenes Buch heraus, blätterte darin, fuhr mit dem Zeigefinger eine Seite hinunter, drehte sie um und tat dasselbe mit der nächsten und übernächsten Seite. Er fand, wonach er suchte, las es, klappte das Buch zu und stellte es zurück.
    Als er wieder an den Schreibtisch kam, sagte er: »Ich muß wissen, wie lange sie im Wasser war. Sie könnte praktisch von überall her angetrieben worden sein: Chioggia, Pellestrina, sogar aus einem der anderen Kanäle, falls man sie einfach irgendwo über Bord geworfen hat.« Er war einen Moment still, dann fuhr er fort: »Die Flut war gestern abend sehr stark und hatte ihren Höhepunkt bereits überschritten, als die Leiche gefunden wurde, so daß sie in Richtung Meer trieb. Das hätte ihr Auffinden unwahrscheinlicher gemacht.«
    »Wann sie gestorben ist, erfahre ich erst im Lauf des Vormittags, wenn ich mit Rizzardi spreche«, sagte Brunetti.
    Bonsuan gab zu erkennen, daß er verstanden hatte. »Wenn sie lange im Wasser war, dann hat irgendwer sie wahrscheinlich einfach ins Wasser geworfen und nicht groß etwas dabei geplant. Aber wenn sie noch nicht lange tot war, dann hat man sie an einer Stelle ins Wasser geworfen, wo man wußte, daß der Ebbstrom sie in die Adria ziehen würde. Wenn sie sich am Grund des Kanals in irgendwas verfangen hätte, wäre nicht mehr viel von ihr übriggeblieben. Die Gezeitenströme sind dort sehr stark, und sie wäre schnell abgetrieben. Die Steine da unten hätten sie übel zugerichtet.«
    Bonsuan sah den Blick, den sein Vorgesetzter ihm zuwarf. »Ich kann ja nichts dafür, Commissario. Das ist das Werk von Ebbe und Flut.«
    Brunetti dankte ihm für die Informationen, sagte nichts zu Bonsuans selbstverständlicher Annahme, daß die Frau ermordet worden war, und ging wieder in sein Dienstzimmer hinauf, um dort zu warten, bis er Rizzardi anrufen konnte.
    Der Arzt kam ihm mit seinem Anruf zuvor. Die Todesursache sei schlichtes Ertrinken gewesen, sagte er; in Salzwasser.
    »Könnte jemand sie ertränkt haben?« fragte Brunetti.
    Rizzardis Antwort ließ ein Weilchen auf sich warten. »Schon möglich. Es hätte sie ja nur einer von einem Boot ins Wasser zu stoßen brauchen oder so ähnlich. Neuere Hinweise auf eine Fesselung gab es nicht.«
    Ehe Brunetti nachhaken konnte, fuhr der Pathologe fort:
    »Aus gynäkologischer Sicht war sie interessant.«
    »Warum?«
    »Es gibt Anzeichen dafür, daß sie im Lauf der Zeit schon alle bedeutenderen Geschlechtskrankheiten gehabt hat, und es gibt Spuren von mindestens einer Abtreibung.«
    »Sie war jahrelang drogensüchtig«, sagte Brunetti. Rizzardi grunzte, als wäre dies so offensichtlich, daß es kaum noch einer Erwähnung bedurfte. »Und anscheinend hat sie sich als Prostituierte betätigt.«
    »Das wäre auch meine Vermutung gewesen«, meinte Rizzardi mit einer Sachlichkeit, die Brunetti wieder daran erinnerte, wie sehr er diesen Arzt mochte und warum.
    Brunetti kam auf die Frage zurück, die er vorhin nicht hatte stellen können. »Du sagst, es gab keine neueren Hinweise auf eine Fesselung. Was heißt das genau?«
    Der Pathologe zögerte lange, endlich erklärte er: »Es gibt Anzeichen von Fesselungen an Oberarmen und Fußgelenken. Ich schließe daraus, daß der, mit dem sie in letzter Zeit zusammen war - sofern sie einen

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