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Brunetti 10 - Das Gesetz der Lagune

Brunetti 10 - Das Gesetz der Lagune

Titel: Brunetti 10 - Das Gesetz der Lagune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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belästigen.«
    Ganz schien das zwar nicht zu überzeugen, aber die Männer nannten ihre Namen und auf Nachfrage auch ihre Adressen. Dann entfernten sie sich langsam, einer nach dem anderen bewegten sie sich von Lichtkegel zu Lichtkegel und überließen die Straße den beiden Polizisten sowie - in einiger Entfernung - der Frau, die stumm dalag, die leeren Augen zu den Sternen erhoben.

17
    B runetti ging noch ein Stück weiter von der Toten fort, bevor er sprach. »Als ich letzte Woche bei ihr im Laden war, kamen zwei Männer herein«, sagte er. »Es war überdeutlich, daß sie ihr angst machten. Als ich sie dann anrief, am Montag, glaube ich, legte sie auf, kaum daß sie meinen Namen hörte. Und als ich dann im Lauf der Woche noch einmal anrief, meldete sich ein Mann, worauf ich aufgelegt habe, ohne etwas zu sagen. Wahrscheinlich dumm von mir.« Er dachte an die Auskünfte, die er über sie bekommen hatte: daß sie jahrelang drogensüchtig gewesen war und sich davon befreit hatte, daß sie in ihren Geburtsort zurückgekommen war und im Laden ihrer Eltern angefangen hatte. »Ich mochte sie. Sie hatte Humor. Und sie war zäh.« Das Objekt dieser Bemerkungen lag hinter ihnen, taub für die Meinungen anderer.
    »Das klang ja wie ein Kompliment«, meinte Vianello.
    Ohne zu zögern antwortete Brunetti: »War es auch.«
    Nach einer Weile fragte Vianello: »Und sie machte sich keine Illusionen, was das Leben in Pellestrina anging, oder?«
    Brunetti blickte zu den niedrigen Häusern des Dorfs hinüber. In einem Erdgeschoßfenster ging gerade das Licht aus, dann in noch einem. Ob die Bewohner von Pellestrina noch soviel Schlaf wie möglich mitbekommen wollten, bevor die Fischerflotte auslief, oder ob sie ihre Zimmer nur verdunkelten, um besser sehen zu können, was draußen vor sich ging? »Ich glaube, über das Leben hier macht sich keiner von ihnen irgendwelche Illusionen.«
    Sollte der eine oder der andere von ihnen beiden den Gedanken gehegt haben, bis zur Ankunft der Spurensicherung in die Bar zu gehen und etwas zu trinken, so sprach ihn keiner aus. Brunetti warf einen Blick zurück zum Polizeiboot und sah den Bootsführer in einem Lichtkegel auf dem pilzförmigen Poller sitzen und eine Zigarette rauchen, aber er schlug nicht diese Richtung ein. Es schien das mindeste zu sein, was sie tun konnten, so lange bei Signora Follini zu bleiben, bis die anderen kamen, um aus ihr ein Verbrechensopfer zu machen, Teil einer Statistik.
    Das zweite Polizeiboot brachte nicht nur den vierköpfigen Spurensicherungstrupp, sondern mit ihm einen jungen Arzt aus dem Krankenhaus, der immer als Ersatz einsprang, wenn weder Rizzardi noch Guerriero erreichbar war. Brunetti war bisher zweimal zugegen gewesen, wenn dieser junge Arzt geschickt worden war, um den Tod eines Opfers festzustellen, und beide Male hatte er sich in einer Weise verhalten, die Brunetti nicht gefiel, nämlich ohne jeden Sinn für den Ernst des Augenblicks. Dottor Venturi hatte die fünf Jahre seit Verlassen der Universität offenbar dazu genutzt, sich eher die Arroganz seines Berufsstandes zuzulegen als das Mitgefühl. Und er hatte sich von Rizzardi, seinem Vorgesetzten, die makellose Kleidung abgeguckt, obwohl das Ergebnis an seinem untersetzten Körper eher ein wenig lächerlich wirkte.
    Das Boot legte neben dem ihren an. Der Arzt sprang schwerfällig von Bord und kam auf die beiden Gestalten zu, die er als Brunetti und Vianello erkannt hatte, aber ernahm ihre Anwesenheit in keiner Weise zur Kenntnis. Er trug einen anthrazitfarbenen Anzug mit kaum wahrnehmbaren dunklen Längsstreifen, die seine Rundlichkeit eher hervorhoben als verbargen.
    Er schaute kurz auf Signora Fellinis Leiche hinunter, dann nahm er ein Taschentuch aus seiner Brusttasche und breitete es neben ihr auf dem feuchten Pflaster aus, bevor er sich darauf kniete. Er hob ihre Hand hoch, ohne auch nur in ihr Gesicht zu sehen, befühlte das Handgelenk und ließ den Arm achtlos wieder auf den Boden fallen. »Sie ist tot«, sagte er, an die Allgemeinheit gewandt. Dann blickte er zu Brunetti und Vianello auf, um zu sehen, wie sie darauf reagierten.
    Als keiner der beiden etwas sagte, wiederholte Venturi: »Ich sagte, sie ist tot.«
    Brunetti wandte den Blick von der Lagune und sah auf den Arzt hinunter. Er hätte gern die Todesursache gewußt, aber er wollte nicht mit ansehen, wie dieser junge Mann die Frau noch einmal anrührte, darum nickte er nur und wandte sich wieder der Betrachtung der fernen Lichter zu,

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