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Brunetti 10 - Das Gesetz der Lagune

Brunetti 10 - Das Gesetz der Lagune

Titel: Brunetti 10 - Das Gesetz der Lagune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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Groll. Jeglicher Zweifel an ihren Motiven schwand, als sie die Beherrschung verlor und kreischte, das werde ihn und »quella puttana di Lucia Mazotti« erledigen. Ihre wüsteren Auslassungen waren jeweils durch züchtige drei Sternchen ersetzt.
    Die nächsten Anrufe kamen von alten Frauen, die meldeten, daß sie von ihrem Zeitungsverkäufer keine Quittungen bekommen hätten, worauf Targhetta sie mit wahrer Engelsgeduld - das mußte Brunetti zugeben - darüber informierte, daß Zeitungsverkäufer keine Quittungen auszustellen brauchten. Allerdings vergaß Targhetta nicht, ihnen für ihren Bürger sinn zu danken, ob schon der Überdruß, mit dem er das tat, deutlich herauszuhören war, zumindest für Brunetti.
    »Guardia di Finanza«, hörte er die inzwischen wohlvertraute Stimme Targhettas wieder sagen.
    »Ist das die richtige Nummer?« fragte eine Männerstimme in starkem Veneziano.
    Brunetti hatte bei den vorherigen Anrufen bemerkt, daß Targhetta sich immer auf Italienisch meldete, sowie aber am anderen Ende Veneziano gesprochen wurde, verfiel auch er sofort in diesen Dialekt, um dem Anrufer die Scheu zu nehmen. Das tat er auch jetzt, als er fragte: »Weswegen rufen Sie denn an, Signore?«
    »Wegen einem, der seine Steuern nicht bezahlt.«
    »Ja, dann haben Sie die richtige Nummer gewählt.«
    »Gut. Also notieren Sie sich mal den Namen.«
    »Gewiß, Signore«, sagte Targhetta abwartend.
    »Spadini. Vittono Spadini. Aus Burano.«
    Es entstand eine längere Pause, dann hörte man Tar-ghetta - diesmal ohne eine Spur Veneziano und in viel amtlicherem Ton - fragen: »Könnten Sie mir darüber mehr sagen, Signore?«
    »Dieser Dreckskerl fischt sich täglich Millionen zusammen«, sagte der Mann mit einer Stimme, die vor Bosheit oder Wut ganz gepreßt klang. »Und zahlt nie eine Lira Steuern. Verkauft alles schwarz, das wird also nie versteuert. Alles, was er verdient, ist Schwarzgeld.«
    Bis dahin hatte Targhetta immer um nähere Auskünfte über den Beschuldigten gebeten: wo er wohne, was für eine Art Geschäft er betreibe. Diesmal fragte er statt dessen: »Würden Sie mir Ihren Namen nennen, Signore?« Das hatte er noch nie getan.
    »Ich denke, diese Leitung ist anonym«, versetzte der Anrufer, augenblicklich mißtrauisch.
    »Normalerweise ja, Signore, aber in einem Fall wie diesem - Sie sprachen von Millionen täglich, nicht wahr? -wüßten wir schon gern ein bißchen über den, der die Anzeige erstattet.«
    »Also, meinen Namen kriegen Sie nicht«, erklärte der Mann hitzig. »Notieren Sie sich lieber diesen Saukerl. Sie müssen überhaupt nichts weiter tun, als mal zur Fischhalle von Chioggia gehen, wenn er entlädt, und sich ansehen, wieviel er gefangen hat, und dann sehen Sie auch gleich, wer es kauft.«
    »Ich fürchte, das können wir nicht, solange Sie uns Ihren Namen nicht nennen, Signore.«
    »Du brauchst meinen Namen nicht, du Miststück! Spadini sollst du schnappen, sonst keinen!« Damit knallte der Mann den Hörer auf.
    Es folgte eine kurze Stille, dann hörte man wieder Targhetta sagen: »Guardia di Finanza.«
    Brunetti schaltete das Gerät aus und nahm sich die Abschriften vor. Die Gespräche waren alle schriftlich festgehalten, und zwar wie der Text zu einem Schauspiel, wobei die Rollen jeweils »Finanziere Targhetta« und »Cittadino« -Bürger - hießen.
    Er blätterte die restlichen Seiten durch und zählte drei weitere Anrufe. Er schaltete das Gerät wieder ein und las mit, während er die Gespräche abhörte.
    Als er das letzte Blatt umdrehte, hinter dem er die leere Innenseite des hinteren Aktendeckels zu finden erwartete, fand er statt dessen mehrere lose, handbeschriebene Zettel, die von einer Büroklammer zusammengehalten wurden. Sie waren an den oberen Rändern in Rubriken eingeteilt: Datum, Uhrzeit, Name des Beschuldigten und so weiter, unten war Platz für die Initialen des Beamten, der den Anruf entgegengenommen hatte. Brunetti zählte die Blätter und fand nur sechs. Er las den Namen des Metzgers, die der beiden Zeitungsverkäufer und drei weitere Namen von den letzten Anrufen, aber der eine Anruf, der Spadini galt, war nicht verzeichnet. Sieben Anrufe auf dem Band und sieben Abschriften, aber nur sechs Protokollnotizen, alle unten säuberlich mit »ct« abgezeichnet.
    Er spulte zurück und fand im Suchlauf die Stelle, wo der nicht protokollierte Anruf anfing. Er hörte ihn noch einmal ab, wobei er alle Aufmerksamkeit auf die Stimme des Anrufers richtete. Seine Mutter hätte sofort

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