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Brunetti 11 - Die dunkle Stunde der Serenissima

Brunetti 11 - Die dunkle Stunde der Serenissima

Titel: Brunetti 11 - Die dunkle Stunde der Serenissima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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den Armen der Mutter ruhte. Es konnte nur ein Tizian sein, soviel war klar, aber ihm fehlte der Blick des Experten, um die Arbeit genauer bewerten zu können.
    Sie hatte sich ihm zugewandt, doch nicht aus Neugier auf die Zeichnung in seiner Hand, sondern weil sein Ausruf sie überrascht hatte. Aber gleich darauf drehte sie sich jäh weg von dem, was nicht mehr harram hätte sein können: ein Abbild ihres falschen Gottes, dieses Gottes, der keiner war - wie hätte er sonst sterben können - und vor dem sie zurückscheute wie vor etwas Obszönem.
    Brunetti breitete das Seidenpapier sorgsam wieder über die Zeichnung und schob sie zurück zwischen die beiden Pappdeckel. Schweigend legte er das Päckchen beiseite und wandte sich dem zweiten Umschlag zu. Auch der war unversiegelt. Er öffnete die Klappe und brachte einen Stapel Briefschaften zum Vorschein, alle doppelt gefaltet und mit einem Gummiband zusammengehalten.
    Brunetti nahm das oberste Schreiben zur Hand: »Ich, Alberto Foa, verkaufe die unten aufgeführten Gemälde für den Pauschalbetrag von vierhunderttausend Lire an Luca Guzzardi.« Das Dokument war auf den 11. Januar 1943 datiert und enthielt im Anhang eine Aufstellung von neun Gemälden, allesamt Werke berühmter Künstler. Eine Stichprobe ergab, daß noch zwei weitere Dokumente auf Luca Guzzardi ausgestellte Verkaufsurkunden waren, beide vor dem Sturz Mussolinis datiert. Eine davon betraf Zeichnungen; in der anderen waren Gemälde und Plastiken aufgeführt.
    Brunetti zählte die übrigen Blätter: neunundzwanzig. Mit den dreien, die er geöffnet hatte, insgesamt also zweiunddreißig Verkaufsurkunden, zweifellos alle unterzeichnet und datiert und mithin völlig legal und vor allem ein rechtskräftiger Beweis dafür, daß die Kunstgegenstände in Signora Jacobs' Besitz vormals rechtmäßiges Eigentum von Luca Guzzardi gewesen waren, ihrem Liebhaber, geistig umnachtet und seit einem halben Jahrhundert unter der Erde.
    Und Erbin all dieser Kunstschätze war Claudia Leonardo, Guzzardis Enkelin, die man erstochen hatte und die ohne rechtsgültiges Testament verstorben war.
    Brunetti faltete die drei Dokumente, die er eingesehen hatte, zusammen und legte sie zurück auf den Stapel, streifte den Gummiring darüber und schob das Päckchen zurück in den Umschlag.
    Behutsam und vorsichtig packte er dann alles zusammen wieder in das große Kuvert. »Signora«, sagte er mit einem beschwörenden Blick auf Salima, »ich muß das mitnehmen.«
    Sie nickte.
    »Signora, Sie müssen mir glauben, wenn ich Ihnen sage, daß Sie nicht in Gefahr sind. Wenn Sie wollen, bringe ich meine Frau und meine Tochter zu Ihnen, und Sie können sie fragen, ob ich ein ehrlicher Mann bin. Ich denke, sie werden das bestätigen, aber wenn Sie möchten, bringe ich die beiden her.«
    »Ich glaube Ihnen«, sagte sie, immer noch ohne ihn anzusehen.
    »Dann glauben Sie auch dies, Signora, denn es ist wichtig. Signora Jacobs hat Ihnen sehr viel Geld vermacht. Ich weiß noch nicht, wieviel es ist, dazu muß ich mich erst mit jemandem besprechen, der sich in diesen Dingen auskennt. Aber es ist bestimmt eine Menge Geld.«
    »Fünf Millionen Lire?« fragte sie so sehnsüchtig, als ließe sich mit genau dieser Summe Glück oder Frieden oder ein Platz im Paradies erkaufen.
    »Wozu brauchen Sie gerade diesen Betrag, Signora?«
    »Für meinen Mann. Und meine Tochter. Wenn ich ihnen so viel schicken kann, dann können sie nach Italien ausreisen.
    Darum bin ich hier, um zu arbeiten und zu sparen und sie nachzuholen.«
    »Es wird mehr sein als fünf Millionen«, sagte Brunetti, obwohl er keine Ahnung hatte, wieviel die Zeichnung wert war; so viel aber mindestens, womöglich sogar ein Vielfaches davon.
    Da er sich wieder mit dem Umschlag beschäftigte und die Klammern durch die perforierten Löcher in der Klappe schob, um ihn zu verschließen, sah er nicht, wie die junge Frau sich bewegte. Doch im nächsten Augenblick schnellten ihre Hände vor und ergriffen seine Rechte, die sie mit der Handfläche nach unten drehte. Dann neigte sie sich darüber und preßte sekundenlang ihre Stirn auf seinen Handrücken. Er fühlte, wie ihre Hände zitterten.
    Endlich gab sie seine Hand frei und richtete sich wieder auf.
    Brunetti erhob sich und ging, den Umschlag unter den Arm geklemmt, zur Tür, wo er sich umwandte und ihr die Hand entgegenstreckte. Aber sie schüttelte den Kopf und hielt die Hände seitlich an den Körper gepreßt, eine sittsame Frau, für die es sich nicht

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