Brunetti 11 - Die dunkle Stunde der Serenissima
sagte; zwar hatte Salima ihn nicht gebeten, die Zeichnung zu Geld zu machen, aber er handelte doch zweifellos in ihrem Sinne. Bei dem Gedanken an das Geld tauchte sofort eine neue Sorge auf: Wie konnte er sicherstellen, daß Salima es auch bekam? Wo sollte man es deponieren, bis sie in der Lage war, es für ihre Familie zu verwenden? »Könntest du bar bezahlen?« fragte er.
»Solche Geschäfte werden immer in bar abgewickelt, Guido. Das hinterläßt keine Spuren im Schnee.«
Brunetti, der diesen Satz schon viele Male von Lele gehört hatte, erkannte gleichwohl erst jetzt, wie treffend und wie nützlich obendrein eine solche Maxime war. Trotzdem hatte er keine Ahnung, was er mit soviel Geld anfangen sollte. Es auf die Bank zu bringen wäre mehr als riskant: Das Finanzamt würde sich angelegentlich dafür interessieren, wie ein Kriminalbeamter im höheren Dienst plötzlich zu einem so hohen Barvermögen gekommen war. Andererseits hatten sie zu Hause keinen Safe, und er konnte das Geld wohl kaum in seinem Sockenfach verstecken.
»Wie und wann wollen wir den Handel perfekt machen?« fragte der Maler.
»Ich laß es dich wissen. Weißt du, das Geld ist nicht für mich bestimmt, aber die eigentliche Empfängerin kann es nirgends sicher aufbewahren.« Rasch spielte Brunetti die wenigen Möglichkeiten durch, die sich ihm boten, und schlug am Ende vor: »Warum behältst du das Geld nicht, bis mir einfällt, wie man es ihr zukommen lassen könnte?«
An der Person des Vorbesitzers hatte Lele offensichtlich nicht das geringste Interesse, zumindest jetzt nicht mehr, wo er den Tizian bereits als sein rechtmäßiges Eigentum betrachtete. »Möchtest du nicht wenigstens eine Anzahlung?« fragte er, und Brunetti begriff, daß der Maler seinen Kauf unbedingt absichern wollte.
»Das Bild gehört dir, Lele«, sagte Brunetti. »Und wie wir das mit dem Geld regeln, das besprechen wir nächste Woche.«
»Schön, schön«, murmelte Lele, dessen Augen längst wieder auf dem toten Christus ruhten.
Als alles weitere geklärt war, nutzte der Commissario den Besuch in der Galerie, um den fachlichen Rat des Malers einzuholen. Er zog den Stapel Quittungen aus dem Kuvert, griff wahllos eine heraus und reichte sie Lele mit der Bitte: »Sag mir, was es damit auf sich hat.«
Lele nahm das Blatt entgegen, überflog es rasch und studierte dann im einzelnen den Vertrag und noch gründlicher das Verzeichnis der Gemälde und Zeichnungen. »Caspita!« rief er, legte den Vertrag auseinandergefaltet auf den Tisch und zog noch ein paar Dokumente aus dem Stapel. Er las zwei oder drei und breitete sie anschließend vor sich auf dem Tisch aus. Als er den vierten Vertrag eingesehen hatte, sagte er: »Da sind sie also abgeblieben.«
»Erkennst du etwas wieder?«
»Ein paar Sachen schon, ja. Soweit ich das nach den Beschreibungen beurteilen kann. So was wie ›Iznik-Kachel mit Nelkendekor‹ ist natürlich zu allgemein, außerdem verstehe ich nicht viel von osmanischer Keramik. Aber hier zum Beispiel: ›Ansicht des Arsenale von Guardi‹, damit kann ich schon etwas anfangen, besonders, wenn ich sehe, daß das Bild von den Orvietos stammt.«
Lele deutete auf die ausgebreiteten Verträge und fragte:
»Sind das die Kunstwerke aus der Wohnung der alten Frau?«
»Ja.« Brunetti konnte das zwar nicht mit absoluter Gewißheit behaupten, aber eine andere Erklärung schien kaum denkbar.
»Ich hoffe, das Haus wird bewacht«, sagte Lele, woraufhin Brunetti umgehend die massive Eingangstür zu Signora Jacobs' Wohnung vor Augen sah. Aber dann dachte er an Salima und an ihre Schlüssel, die er nicht zurückgefordert hatte.
»Ich hab eine Inventarliste erstellen lassen«, sagte der Commissario trotzig.
»Und führe uns nicht in Versuchung.«
»Schon gut, schon gut, aber wo wir jetzt diese Belege haben« - und Brunetti schwenkte die Verkaufsurkunden -, »da wissen wir doch, was alles in der Wohnung ist.«
»Oder war«, ergänzte Lele trocken.
Auf die Gefahr hin, der Dienstehre der Polizei damit ein eher fragwürdiges Zeugnis auszustellen, sagte Brunetti: »Die beiden, die mit der Inventur beauftragt wurden, Riverre und Alvise, das sind Idioten. Die könnten einen Manet nicht vom Titelblatt einer Friseurzeitung unterscheiden.« Und nach einer Pause fügte er hinzu: »Wobei letztere ihnen vermutlich besser gefiele.«
Der Maler, den das Kunstverständnis von Polizeibeamten nicht übermäßig interessierte, fragte sachlich: »Was wird nun aus alledem?«
Brunetti
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