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Brunetti 11 - Die dunkle Stunde der Serenissima

Brunetti 11 - Die dunkle Stunde der Serenissima

Titel: Brunetti 11 - Die dunkle Stunde der Serenissima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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Tod des Mädchens sagte sie mir, daß sie in Gefahr sei.« Salimas Stimme klang wieder ruhig und gleichmütig.
    »In Gefahr?« wiederholte Brunetti.
    »Das waren ihre Worte. Ich wußte von ihren Herzbe4 schwerden, aber zuletzt griff sie viel öfter zu ihren Pillen, Tag für Tag nahm sie mehr davon.«
    »Und hat sie gesagt, daß die Gefahr von ihrer Krankheit herrühren würde?« forschte Brunetti.
    S alima dachte so lange über seine Frage nach, als beleuchte sie sie von allen Seiten und aus verschiedenen Blickwinkeln. »Nein. Nur, daß ihr Gefahr droht. Aber nicht, woher.«
    »Und Sie nahmen an, es beträfe ihr Herz?«
    »Ja.«
    »Hätte es auch etwas anderes sein können?«
    Wieder ließ ihre Antwort lange auf sich warten. »Ja.«
    »Hat sie Ihnen sonst noch was erzählt?«
    Sie preßte angestrengt den Mund zusammen, und dann sah er ihre Zunge vorschnellen und die Lippen befeuchten. Sie hielt den Blick auf ihre Hände gesenkt, die sittsam auf der Tischkante gefaltet waren. Nun neigte sie den Kopf tiefer und sagte etwas, aber so leise, daß Brunetti es nicht hören konnte.
    »Entschuldigung, Signora, aber ich habe Sie nicht verstanden.«
    »Sie hat mir etwas gegeben.«
    »Ja? Was denn, Signora?«
    »Ich glaube, es waren Dokumente.«
    »Sie glauben es nur?«
    »Es war ein Umschlag. Sie gab mir einen Umschlag und bat mich, ihn aufzubewahren.«
    »Bis wann?« .
    »Das hat sie nicht gesagt. Nur, daß ich ihn bei mir behalten solle.«
    »Und wann hat sie Ihnen diesen Umschlag gegeben?«
    Er sah, wie sie in Gedanken nachrechnete. »Zwei Tage nach dem Tod des Mädchens.«
    »Hat sie nicht doch irgendwas dazu gesagt?«
    »Nein, aber ich glaube, sie hatte Angst.«
    »Wie kommen Sie darauf, Signora?«
    Sie schlug ihre vollendet geschwungenen Mandelaugen zu ihm auf und sagte: »Weil ich mich auskenne mit der Angst.«
    Brunetti wandte den Blick ab. »Haben Sie den Umschlag noch?«
    »Ja.«
    »Würden Sie ihn mir holen, Signora?«
    »Sie sind von der Polizei, nicht wahr?« Immer noch hielt sie den Kopf gesenkt und ihr wunderschönes Antlitz vor ihm verborgen, als fürchte sie sich, einem Mann zu gefallen, der Macht hatte über sie.
    »Ja. Aber Sie haben nichts Unrechtes getan, Signora. Es wird Ihnen nichts geschehen.«
    Ihr Seufzer war so tief wie die Kluft zwischen ihren Kulturen. »Was muß ich für Sie tun?« fragte sie, und ihre Stimme klang jetzt müde und resigniert.
    »Nichts, Signora. Geben Sie mir nur die Papiere, und dann werde ich gehen. Die Polizei wird Sie danach nicht mehr belästigen.«
    Sie zögerte noch immer und überlegte womöglich, auf was sie ihn schwören lassen könnte - etwas, das ihnen beiden heilig wäre. Doch was immer es war, wonach sie während dieses Schweigens suchte, sie konnte es nicht finden.
    Ohne ihn anzusehen, erhob sie sich und ging zu der Kommode.
    Sie zog die oberste Schublade auf und entnahm ihr einen großen wattierten und prall gewölbten Umschlag. Sorgsam umfaßte sie das Päckchen mit beiden Händen und brachte es ihm.
    Brunetti nahm es dankend in Empfang. Ohne Zögern bog er die beiden Metallklammern auf, die den Umschlag verschlossen hielten. Er war nicht zugeklebt und auch nicht mit Tesafilm gesichert, aber er hütete sich, sie mit der Frage zu kränken, ob sie ihn vielleicht schon einmal geöffnet hätte.
    Er schob die rechte Hand hinein und stieß auf weich raschelndes Seidenpapier, das, wie sich bei weiterem Vordringen erwies, über den Rand zweier Pappdeckel geschlagen war. Am unteren Ende ertastete er einen zweiten Umschlag, auch er dick und ziemlich voluminös. Brunetti zog die Hand zurück, und vorsichtig, nur mit den Fingerspitzen, fischte er heraus, was Geheimnisvolles zwischen den Pappdeckeln verborgen lag. Er löste das in Seidenpapier gehüllte Päckchen aus der Umhüllung und legte es auf den Tisch: Es war ein Rechteck, etwas größer als ein Buch, ungefähr im Format einer kleinen Zeitschrift. Außen an dem Seidenpapier klebte ein Zettel, und darauf stand in der schräg geneigten Schrift einer Hand, die an steilere Lettern als die italienischen gewöhnt war: »Inliegendes war lange in meinem persönlichen Besitz und ist ein Geschenk für Salima Maffeki.«
    Die Botschaft war unterzeichnet mit »Hedwig Jacobs« und drei Tage vor ihrem Tod datiert.
    So gespannt wie ein Kind die Türchen eines Adventskalenders geöffnet hätte, schlug Brunetti das Seidenpapier zurück. »Oddio!« entfuhr es ihm, als er die mit kühnen Strichen skizzierte Gestalt erkannte, die leblos in

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