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Brunetti 11 - Die dunkle Stunde der Serenissima

Brunetti 11 - Die dunkle Stunde der Serenissima

Titel: Brunetti 11 - Die dunkle Stunde der Serenissima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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zuckte die Achseln, eine Geste, die sowohl Unsicherheit verriet als auch sein Widerstreben, mit jemandem, der nicht in die Ermittlungen einbezogen war, Spekulationen anzustellen, nicht einmal mit einem so engen Freund wie Lele. »Vorläufig bleibt alles in ihrer Wohnung.«
    »Bis...?« fragte Lele.
    Die beste Antwort, die Brunetti darauf einfiel, war: »Bis kommt, was kommt.«
    Beim Mittagessen war Brunetti ungewöhnlich still und ließ die lebhaften Familiengespräche an sich vorbeischwirren: Raffi behauptete, er müsse unbedingt ein telefonino haben, woraufhin Chiara prompt das gleiche Bedürfnis anmeldete. Als Paola wissen wollte, wozu sie denn eins brauchten, antworteten beide, um den Kontakt zu ihren Freunden zu halten oder um Hilfe zu rufen, falls Gefahr im Verzug sei.
    Daraufhin formte Paola mit den Händen einen Trichter vor dem Mund und rief ihrer Tochter über den Tisch hinweg zu: »Erde an Chiara. Erde an Chiara. Kannst du mich hören? Chiara, bitte kommen. Hörst du mich?«
    »Was soll denn das, mamma ?« fragte Chiara sichtlich gereizt.
    »Ich wollte dich daran erinnern, daß du in Venedig lebst, also am vermutlich sichersten Ort der Welt.« Als Chiara etwas einwenden wollte, schnitt Paola ihr kurzerhand das Wort ab: »Es ist also ganz unwahrscheinlich, daß dir hier Gefahren drohen, das heißt abgesehen von acqua alta, und dagegen würde dir ein telefonino auch nicht viel helfen.« Und als Chiara den Mund aufmachte, war Paola wieder schneller und befand abschließend: »Also heißt die Antwort nein.«
    Raffi versuchte sich unsichtbar zu machen, so gut das eben ging, wenn man gleichzeitig ein zweites Stück Birnentorte mit einem Berg Schlagsahne verzehrte. Er hielt den Blick auf seinen Teller gesenkt und schluckte zögernd wie eine Gazelle, die aus einem Wasserlauf trinkt, obwohl sie weiß, daß er vor Krokodilen wimmelt.
    Paola griff nicht an, aber sie tauchte auf und fixierte ihn mit Reptilienblick. »Wenn du dir eins kaufen willst, Raffi, meinetwegen. Aber du bezahlst es von deinem Geld.« Er nickte.
    Das Gespräch brach ab. Brunetti war währenddessen ganz woanders gewesen und hatte die kleine Kabbelei an sich vorbeirauschen lassen, auch wenn der Vorwurf, mit dem Paola den angeblichen Konsumwahn ihrer Kinder tadelte, ihn aufhorchen ließ. Und plötzlich fragte er wie aus heiterem Himmel in die Runde: »Schämt ihr euch eigentlich gar nicht, daß ihr so versessen darauf seid, möglichst viel Geld zusammenzuraffen, ohne einen Gedanken an Einsicht und Wahrheit und das Wohl eurer Seele zu verschwenden?«
    »Wo hast du das denn her?« fragte Paola überrascht.
    »Von Platon«, sagte Brunetti und machte sich über seinen Kuchen her.
    Schweigend ging die Mahlzeit zu Ende; Chiara und Raffi tauschten forschende Blicke und Achselzucken; Paola dachte über Brunettis Einwurf nach und versuchte zu begreifen, was um alles in der Welt ihn auf dieses Zitat gebracht hatte, das ihrer Erinnerung nach aus der Apologie stammte.
    Nach dem Essen verschwand Brunetti im Schlafzimmer, wo er die Schuhe abstreifte, sich aufs Bett warf und durchs Fenster in die Wolken starrte, denen man freilich nicht vorwerfen konnte, daß sie so heiter vorbeisegelten. Nach einer Weile kam Paola herein und setzte sich zu ihm auf die Bett« kante.
    »Vor einiger Zeit hast du mal davon gesprochen, den Dienst zu quittieren. Ist das jetzt ein Rückfall?«
    Er wandte ihr das Gesicht zu und griff mit der Linken nach ihrer Hand. »Nein. Ich denke, es war nichts weiter als ein plötzlicher Anfall von moralischer Ermüdung.«
    »Bei deinem Beruf ganz verständlich.«
    »Vielleicht liegt es daran, daß es uns so gut geht, oder ich werde allergisch gegen Reichtum, jedenfalls begreife ich einfach nicht, wie weit manch einer zu gehen bereit ist, nur um an Geld zu kommen.«
    »Wie jemanden zu töten, meinst du das?«
    »Nein, nicht unbedingt. Lügen und stehlen genügen schon oder ein Leben lang einer Arbeit nachgehen, die einem gar nicht liegt. Oder, wenn du mir die Bemerkung erlaubst, als Frau mit einem Scheusal von Mann verheiratet zu bleiben, bloß weil er Geld hat.«
    Paola lag schon die Frage auf der Zunge, ob das am Ende auf sie gemünzt sei. Aber da sie an seinem Ton merkte, wie ernst es ihm war, versagte sie sich diesen Scherz und fragte statt dessen: »Und du, bist du denn mit deiner Arbeit zufrieden?«
    Er zog ihre Hand näher zu sich heran und begann ihren Trauring am Finger zu drehen. »Ich glaube, mir bleibt gar keine andere Wahl. Ich weiß,

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