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Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle

Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle

Titel: Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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darin herum. »Zwölf Knoblauchzehen«, flüsterte sie in einem Ton, der an Ehrfurcht grenzte.
    »Und wir haben es noch jedesmal überlebt«, ergänzte Brunetti.
    »Was beweist, daß dieses Rezept im Himmel erdacht wurde«, schwärmte Paola.
    »Und, wenn man Guglielmo glauben darf, obendrein noch gegen Würmer und zu hohen Blutdruck hilft.«
    »Auf jeden Fall wird es dir morgen auf dem Vaporetto einen Sitzplatz sichern.«
    Brunetti lachte und spürte dankbar, wie die düstere Stimmung von vorhin langsam wich. Er dachte an ihren gemeinsamen Freund Guglielmo, der während seiner vier Auslandsjahre als Militärattaché in Kairo Arabisch gelernt hatte, zum koptischen Christentum übergetreten und damit reich geworden war, daß er archäologische Funde in Militärflugzeugen außer Landes schaffte. Da er außerdem ein passionierter Feinschmecker war, hatte er bei seiner Rückkehr eine Vielfalt von Rezepten mitgebracht, die meist ungeheuere Mengen Knoblauch verlangten.
    »Stimmt es, daß man in Mumiensärgen getrockneten Knoblauch gefunden hat?« fragte Brunetti und stieß sich vom Türstock ab.
    »Den würdest du vermutlich auch in den Taschen von Guglielmos Galauniform finden«, versetzte Paola, während sie den Deckel wieder schloß und ihren Mann zum ersten Mal ins Auge faßte. »Guido, was ist los mit dir?« fragte sie mit gänzlich veränderter Stimme.
    Sein Lächeln mißlang kläglich. »War 'n schlechter Tag.«
    »Ja?«
    »Ein Selbstmord, der vielleicht keiner ist.«
    »Wer?«
    »Ein Junge.«
    »Wie alt.«
    »Siebzehn.«
    Paola verstand sofort. Erst war sie wie erstarrt, dann holte sie tief Luft und schüttelte den Kopf, als wollte sie eine abergläubische Anwandlung verscheuchen, und legte ihm die Hand auf den Arm. »Komm, sag mir alles.«
    Brunetti wußte selber nicht, warum, vielleicht weil auch er abergläubisch war, jedenfalls vermied er es, Paola anzusehen, während er ihr von Ernesto Moro erzählte. Er holte zwei Gläser, nahm eine Flasche Tocai Friulano aus dem Kühlschrank und hantierte so umständlich mit dem Korkenzieher, daß er zum öffnen des Weins ebenso lange brauchte wie für seinen Bericht. »Er war Kadett in San Martino. Heute morgen erhielten wir einen Anruf von der Giudecca, und als wir hinkamen, fanden wir ihn im Waschraum, erhängt. Das heißt, Vianello hat ihn gefunden.«
    Brunetti goß den Wein ein und reichte Paola ihr Glas.
    Statt es zu nehmen, fragte sie: »Und wer war er?«
    »Der Sohn von Fernando Moro.«
    »Dottor Moro?«
    »Ja«, sagte Brunetti und drückte ihr das Glas in die Hand.
    »Weiß er es schon?«
    Brunetti stellte sein Glas hin, wandte sich ab und suchte, um sich abzulenken, im Kühlschrank nach etwas Eßbarem. Mit dem Rücken zu ihr würgte er ein knappes »Ja« heraus.
    Paola sah schweigend zu, wie er einen Plastikbehälter mit Oliven aufschraubte und auf die Küchentheke stellte. Doch beim Anblick der prallen dunklen Früchte, die in gelblichem Öl schwammen, verging ihm der Appetit, und er griff lieber wieder zu seinem Glas. Endlich konnte er Paolas forschendem Blick nicht länger ausweichen.
    »Mußtest du es ihm sagen?«
    »Er kam dazu, als wir die Leiche bargen. Später habe ich ihn dann zu Hause aufgesucht und mit ihm gesprochen.«
    »Heute?« fragte sie, und es klang entsetzt, fassungslos.
    »Ich war nicht lange dort.« Er bereute sofort, daß er das gesagt hatte.
    Paolas Blick sprach Bände, aber als sie seinen Gesichtsausdruck sah, ließ sie ihm die Bemerkung kommentarlos durchgehen. »Und die Mutter?« fragte sie nur.
    »Ich weiß nicht, wo sie ist. Angeblich hier in der Stadt, ich habe auch eine Telefonnummer, aber ich konnte sie nicht anrufen.« Vielleicht lag es an dem Ton, in dem er dieses »ich konnte nicht« vorbrachte, daß Paola auch hier nicht einhakte.
    Statt dessen fragte sie: »Wieso glaubst du, daß es kein Selbstmord war?«
    »Berufskrankheit«, sagte er lakonisch.
    »Chronisches Mißtrauen?« fragte sie.
    »So könnte man es nennen, ja«, antwortete Brunetti und genehmigte sich endlich einen Schluck. Und auch wenn er kaum Linderung verspürte, als der Wein ihm kühl und schwer über die Zunge floß, wußte er doch wieder, daß es Trost und Linderung gab auf dieser Welt.
    »Möchtest du darüber reden?« fragte Paola, die nun ihrerseits den Wein probierte.
    »Später vielleicht. Nach dem Essen.«
    Sie nickte, nahm noch einen Schluck und stellte das Glas ab. »Wenn du noch ein Weilchen lesen möchtest, decke ich schon mal den Tisch. Die Kinder werden

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