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Brunetti 13 - Beweise, daß es böse ist

Brunetti 13 - Beweise, daß es böse ist

Titel: Brunetti 13 - Beweise, daß es böse ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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daß der Inspektor nicht im Haus war. Dann also Pucetti. Er rief unten im Dienstzimmer an und trug dem jungen Polizisten ohne weitere Erklärung auf, ihn in fünf Minuten am Haupteingang zu treffen und eine Barkasse zu ordern.
    Beim letzten Mal hatte er sich wie ein Dieb in Signora Battestinis Wohnung geschlichen und war von niemandem gesehen worden. Diesmal würde er wie das personifizierte Gesetz erscheinen, und niemand würde es wagen, ihn aufzuhalten; so hoffte er jedenfalls.
    Pucetti, der ihn auf den Stufen vor der Questura erwartete, lernte allmählich, nicht bei jeder Begegnung vor Brunetti zu salutieren, aber Haltung anzunehmen, hatte er sich nicht abgewöhnt. Sie gingen an Bord der Barkasse, und Brunetti, der entschlossen war, sich nicht nach Vianello zu erkundigen, begab sich, nachdem er dem Bootsführer ihr Ziel genannt hatte, hinunter in die Kabine. Pucetti blieb an Deck.
    Kaum hatte er Platz genommen, da fiel Brunetti die lange Szene aus der Ilias ein, wo Achilles in seinem Zelt hockt und seine Wunden leckt ob der endlosen Kette von Kränkungen und Schmähungen, die er angeblich hat erdulden müssen. Achilles war von Agamemnon geschmäht worden, Brunetti von seinem Patroklos. Unpassenderweise schlich sich in seine Rückbesinnung auf Homer ein Ausdruck, den Paola bei ihren Recherchen zum amerikanischen Slang aufgeschnappt hatte: »gedisst werden«. Ein Begriff, der ursprünglich aus der schwarzamerikanischen Ghettosprache stammte und ein weites Spektrum von respektlosem bis beleidigendem Verhalten abdeckte.
    Leise murmelte Brunetti vor sich hin: »Vianello hat mich gedisst.« Worauf er in schallendes Gelächter ausbrach und sich, nun wieder guter Dinge, an Deck begab.
    Die Barkasse legte an, und nach wenigen Schritten waren sie am Ziel. Brunetti spähte an der Hausfront hoch und sah, daß Läden und Fenster von Signora Battestinis Wohnung offenstanden; ein Fernseher war allerdings nicht zu hören. Er läutete und las auf dem Klingelschild den Namen Van Cleve.
    Ein Blondschopf erschien am Fenster über ihm, eine Frau, neben der gleich danach der Kopf eines Mannes auftauchte. Brunetti trat einen Schritt zurück und wollte um Einlaß bitten, aber der Anblick von Pucettis Uniform genügte offenbar, denn im nächsten Moment waren beide Köpfe verschwunden, und der Türöffner schnarrte.
    Mann und Frau, beide blond, mit blassem Teint und heilen Augen, standen in der Wohnungstür. Bei ihrem Anblick mußte Brunetti unwillkürlich an Milch und Käse denken und an einen fahlen, wolkenverhangenen Himmel. Ihr Italienisch war zwar holprig, aber es gelang ihm, ihnen klarzumachen, wer er war und wo er hinwollte.
    »No chiave«, sagte der Mann lächelnd und streckte ihm zur Verdeutlichung die leeren Handflächen entgegen. Die Frau ahmte seine hilflose Geste geflissentlich nach.
    »Va bene. Non importa«, antwortete Brunetti und machte sich auf den Weg zum Speicher. Pucetti folgte dicht hinter ihm. Als Brunetti sich auf dem ersten Treppenabsatz umdrehte, sah er die beiden immer noch vor der Wohnung stehen, die jetzt offenbar die ihre war, und wie neugierige Eulen zu ihm hinaufblinzeln.
    Oben angekommen, fischte Brunetti eine alte Zwanzig-Centesimi-Münze aus dem Geldbeutel, um damit die bereits gelockerten Schrauben im Türflansch herauszudrehen. Doch im Nähertreten sah er, daß der Flansch mit Gewalt aus dem Pfosten gebrochen war und schräg in die Luft ragte. Die beiden Schrauben, die er so sorgfältig wieder eingesetzt hatte, lagen am Boden, und die Tür stand einen Spaltbreit offen.
    Brunetti hob warnend die Hand, doch Pucetti hatte die Situation bereits erfaßt und sich, den Finger am Abzug, rechts von der Tür postiert. Reglos lauschten sie mit angehaltenem Atem auf ein Geräusch von drinnen. So verharrten sie minutenlang. Dann stemmte Brunetti einen Fuß gegen die Tür und verlagerte sein ganzes Gewicht darauf, um zu verhindern, daß sie von innen aufgestoßen wurde.
    Sie ließen noch eine volle Minute verstreichen, dann nickte Brunetti dem jungen Polizisten zu, nahm den Fuß weg und riß die Tür auf. Als er mit dem Ruf »Polizei!« voranstürmte, kam er sich denn doch ein bißchen lächerlich vor.
    Die Dachkammer war leer, aber trotz der schummrigen Beleuchtung sah man, was der Eindringling, der ihnen zuvorgekommen war, angerichtet hatte. Eine Spur mutwillig verstreuter Gegenstände zeugte von ungestillter Neugier, die umgekippt war in Frust und Zorn und endlich zerstörerische Raserei. Der erste Kartonstapel

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