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Brunetti 14 - Blutige Steine

Brunetti 14 - Blutige Steine

Titel: Brunetti 14 - Blutige Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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bückte sich nach seinem Arztkoffer. »Ich weiß nicht, warum ich den immer mitschleppe«, sagte er.
    »Als ob ich ihn je brauchen könnte, um ein Menschenleben zu retten. Macht der Gewohnheit, nehme ich an«, setzte er schulterzuckend hinzu. Dann gab er Brunetti die Hand und wandte sich zum Gehen.
    Brunetti rief den Kriminaltechniker zu sich, der die Fotos gemacht hatte. »Wenn ihr den Toten in die Gerichtsmedizin bringt, würden Sie dann noch einmal sein Gesicht fotografieren - im Profil sowie frontal - und mir die Aufnahmen zukommen lassen, sobald sie entwickelt sind?«
    »Wie viele Abzüge, Commissario?«
    »Jeweils ein Dutzend.«
    »Geht in Ordnung. Bis morgen früh.«
    Brunetti bedankte sich und winkte Alvise heran, der in Hörweite gelauert hatte. »Haben wir irgendwelche Augenzeugen?« fragte er.
    »Nein, Commissario.«
    »Mit wem haben Sie denn gesprochen?«
    »Mit einem Mann«, antwortete Alvise und deutete zur Kirche hinüber.
    »Name?« fragte Brunetti.
    Alvises Augen weiteten sich in unverhohlenem Staunen. Nach einer so ausgedehnten Pause, daß sie jedem anderen peinlich gewesen wäre, sagte er endlich: »Den habe ich nicht behalten, Commissario.« Und auf Brunettis eisiges Schweigen hin verteidigte er sich: »Der Mann sagte, er habe nichts gesehen, Commissario. Wozu hätte ich da seinen Namen notieren sollen?«
    Brunetti wandte sich an die beiden Sanitäter, die eben eingetroffen waren. »Ihr könnt ihn jetzt ins Ospedale bringen, Mauro«, sagte er und fügte hinzu: »Alvise wird euch begleiten.«
    Bevor der Sergente widersprechen konnte, erklärte ihm Brunetti: »Da können Sie gleich feststellen, ob in der Klinik ein Patient mit Schußverletzungen eingeliefert wurde.« Bei der offenkundigen Treffsicherheit der Schützen, die den Afrikaner getötet hatten, war das zwar unwahrscheinlich, aber wenigstens schaffte ihm diese Ausrede Alvise vom Hals.
    »Geht in Ordnung, Commissario«, versetzte Alvise und wiederholte seinen schlaffen Salut. Er sah zu, wie die beiden Sanitäter den Toten auf die Bahre legten, und geleitete sie dann mit so gewichtigen Schritten zu ihrem Boot zurück, als könnten sie den Weg dorthin nur dank seiner Führung finden.
    Brunetti rief den Mann vom Erkennungsdienst zu sich, der gerade jenseits des abgesperrten Bereichs Nahaufnahmen von den Fußspuren machte, die zum Rialto führten. »Ist Alvise allein gekommen?«
    »Ich glaube, ja, Commissario«, antwortete der Mann. »Riverre war unterwegs, eine Anzeige wegen häuslicher Gewalt.«
    »Hat schon jemand versucht, etwaige Zeugen zu ermitteln?« forschte Brunetti weiter.
    Der Kriminaltechniker sah ihn lange schweigend an. »Alvise?« fragte er lakonisch zurück, bevor er sich wieder über seinen Fotoapparat beugte.
    An einer Gartenmauer lehnten ein paar Teenager. Brunetti ging auf sie zu und erkundigte sich, ob sie etwas beobachtet hätten.
    »Nein, Signore«, antwortete einer aus der Gruppe. »Wir sind eben erst gekommen.«
    Seufzend kehrte Brunetti zu dem abgesperrten Bereich zurück, wo sich drei oder vier Passanten eingefunden hatten. »War jemand von Ihnen dabei, als es passierte?« fragte er.
    Die Leute wandten sich ab und blickten angelegentlich zu Boden. »Haben Sie irgend etwas gesehen?« versuchte Brunetti es noch einmal. Doch sein Ton blieb sachlich, er verlegte sich nicht aufs Bitten.
    Ein Mann im Hintergrund stahl sich davon und verschwand über den campo. Brunetti machte keine Anstalten, ihn aufzuhalten. Unterdessen löste sich auch das restliche Grüppchen auf, bis bloß noch eine alte Frau übrigblieb, die sich nur mit Hilfe zweier Krückstöcke aufrecht hielt. Brunetti kannte sie vom Sehen und wußte, daß sie normalerweise von zwei räudigen alten Kötern begleitet wurde. Als sie herangehumpelt kam, sah er das runzlige Gesicht, die dunklen Augen, die weißen Borsten am Kinn.
    »Ja, Signora?« fragte er. »Haben Sie vielleicht etwas gesehen?« Unwillkürlich hatte er sie im venezianischen Dialekt angesprochen.
    »Es waren ein paar Amerikaner dabei, als es passierte.«
    »Woher wissen Sie denn, daß es Amerikaner waren, Signora?« forschte er.
    »Sie trugen weiße Schuhe und haben sehr laut gesprochen«, antwortete sie.
    »Und Sie?« hakte er nach. »Waren Sie dabei, als es passiert ist? Haben Sie es mit angesehen?«
    Sie hob den rechten Stock und wies damit auf die Apotheke in etwa zwanzig Meter Entfernung. »Nein, ich stand da drüben. War eben erst gekommen. Aber die Amerikaner, die habe ich gesehen. Sie kamen von

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