Brunetti 14 - Blutige Steine
elf auf.
Zwischen den Anzeigen am Fuß der Seite standen zwei etwa fünfzehn Zentimeter hohe Einspalter. Der erste Artikel trug die Überschrift: UMSTRUKTURIERUNG BEI UBS KOSTET 600 ARBEITSPLÄTZE. Weiter brauchte Brunetti nicht zu lesen.
Über dem zweiten stand: MAILÄNDER KONSORTIUM ERWIRBT SCHÜRFRECHTE IN AFRIKA. Brunetti stellte seine Tasse ab und zog die Zeitung näher zu sich heran. Der Artikel führte aus, daß eine Gruppe Mailänder Förderbetriebe für Öl und sonstige Bodenschätze einen Zehnjahresvertrag mit der Regierung von Angola geschlossen habe, der ihnen die Exklusivrechte auf »Förderung und Abbau von Rohstoffen« im Ostteil der ehemaligen portugiesischen Kolonie garantierte. Ermöglicht wurde dieses Abkommen durch den jüngst errungenen, überlegenen Sieg der Regierungstruppen im jahrzehntelangen Bürgerkrieg gegen die aufständischen Stämme der Lunda und Chokwe. Man hoffte, daß das Verschwinden des Anführers der Rebellenbewegung, vermutlich im Zuge der jüngsten Gefechte, zur Wiederherstellung des Friedens in einer Region beitragen würde, die seit über einem Jahrzehnt unter den Massakern der Rebellen zu leiden hatte.
Giorgio Mufatti, Seniorvizepräsident des Konsortiums, erklärte in einem Interview, daß durch dieses Abkommen fünfhundert neue Arbeitsplätze für europäische Beschäftigte der beteiligten Firmen geschaffen würden und mindestens doppelt so viele für die Bevölkerung vor Ort. »Diese Jobs werden dazu beitragen, daß in dieser schwer kriegsgeschädigten Region endlich wieder Frieden einkehrt«, sagte Mufatti.
Des weiteren rühmte Dottor Mufatti die Hilfe und Unterstützung des Außenministeriums, das durch seinen »engagierten Einsatz und die engen Beziehungen zur rechtmäßigen Regierung Angolas maßgeblich dazu beigetragen hat, diesen Vertrag einem italienischen Unternehmen zu sichern«.
Brunetti blickte auf, als Paola, noch ganz schlaftrunken, in die Küche geschlurft kam. Sie fuhr sich mit beiden Händen übers Gesicht, blinzelte zu ihm hinüber und trat an die Spüle, um frischen Kaffee zu machen. »Habe ich vorhin das Telefon gehört?« fragte sie.
»Ja«, antwortete er.
»Wer war dran?«
»Ach, niemand. Es hatte sich nur wer verwählt.«
Fast mechanisch hantierte Paola am Spülbecken, füllte Wasser in den unteren Behälter, löffelte Kaffeepulver in den Trichter und schraubte Ober- und Unterteil zusammen. Währenddessen faltete Brunetti Il Sole 24 Ore, legte das Blatt beiseite und griff nach dem Gazzettino. Paola trat hinter ihn und stützte sich mit den Ellbogen auf seine Schultern. »Warum bist du so früh auf?«
»Weiß nicht. Ich konnte nicht schlafen.«
Jetzt erst entdeckte Paola die Tüte auf der Anrichte, lief hin und öffnete sie. »Guido, du bist ein Heiliger!«
Als der Kaffee aufkochte, goß Paola ihn in eine Tasse und gab etwas von der Milch hinzu, die Brunetti am Herdrand warm gehalten hatte. Dann kam sie und setzte sich neben ihn.
Sie trank einen Schluck und noch einen, bevor sie fragte: »Wer hat angerufen?«
»Dein Vater«, antwortete er und wunderte sich, warum er nach all den Jahren immer noch so ein schlechter Lügner war.
»Was wollte er denn so früh?«
»Mir zu Informationen über den toten vucumprà verhelfen.«
»Aha. Und waren sie hilfreich?«
»Ich glaube schon, ja.«
»Inwiefern?«
»Ich habe erfahren, wer er gewesen sein könnte und warum er ermordet wurde.«
Paola nahm noch einen Schluck. »Und weiter?«
»Und Patta hatte recht: Da ist nichts zu machen.«
»Gar nichts?« fragte sie ehrlich erstaunt.
Er schüttelte den Kopf.
Nach einer langen Pause erkundigte sich Paola: »Was ist mit den Diamanten?«
Eine Frage, die Brunetti erschreckte, denn er hatte die Steine vollkommen vergessen. »Die sind in einem Banksafe«, sagte er.
»Das will ich hoffen. Aber was hast du damit vor?«
Seinen Kaffee hatte er längst ausgetrunken, konnte sich jedoch nicht aufraffen, frischen aufzustellen. Unschlüssig hielt er die leere Tasse in der Hand. Der Mann, dem die Diamanten gehört hatten, war tot, und wie es aussah, war die Mission, die mit dem Erlös der Steine unterstützt werden sollte, womöglich schon verloren. Solange niemand kam und sie taxierte, lagen die Diamanten unnütz und wertlos in ihrem Banksafe. »Ich weiß es nicht«, gestand er.
»Was würdest du denn gern machen?«
»Mit den Diamanten?«
»Nein, mit dem heutigen Tag.«
Da erst merkte Brunetti, daß er vor einer Stunde, bei seinem Gang zum Campo Sant'
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