Brunetti 15 - Wie durch ein dunkles Glas
keine Erfolgsgarantie, sondern nur ein langwieriges und kompliziertes Ermittlungsverfahren, das womöglich nicht einmal zu einer Verurteilung führen würde. Also laßt die Finger davon, vergeßt die Geschichte, deklariert sie als Unfall und legt sie zu den Akten.
Brunetti, der den Fall aus der Ferne verfolgte, bekam - mit Signorina Elettras Hilfe - die per Video festgehaltenen Protokolle der Vernehmungen zur Einsicht, in denen Fasano und nach ihm De Cal von einem Untersuchungsrichter und von Tenente Scarpa befragt wurden.
De Cal war von Anfang an geständig. Er habe nur getan, was jeder vernünftige Geschäftsmann tun würde, nämlich sich der billigsten Methode zur Lösung eines Produktionsproblems bedient. Die Leitungen stammten noch aus der Zeit seines Vaters, er habe sie lediglich weiterbenutzt. Als der Richter seine Tanks trocken legen ließ, fand sich in allen eine zweite Garnitur sehr schmaler Abflußrohre, die jeweils vierzig Zentimeter über Bodenhöhe in die Mauer führten. Neben jedem Rohr war, genau wie bei Fasano, eine einfache runde Klappe angeschweißt, mit der sich die Mündung des Rohrs öffnen und schließen und so der Wasserstrom regulieren ließ, der die giftigen Rückstände unter der Brachfläche hindurch in die Lagune leitete. Jene versumpfte Stelle im Gelände war durch ein Leck in der uralten Leitung verursacht worden: Der Bagger folgte ihrer Spur bis hinunter zur Bucht, wo das verseuchte Wasser, durch ein aufgelassenes Dock getarnt, in die Lagune sickerte.
Die Ankündigung eines Bußgeldes nahm De Cal gelassen hin, wohl wissend, wie lächerlich gering so eine Strafe ausfallen würde. Auf die Frage, ob auch Signor Fasano das illegale Entwässerungssystem genutzt habe, lachte De Cal lauthals und erklärte dem Richter, das müsse er Signor Fasano schon selber fragen.
Fasano verhielt sich im Verhör völlig anders. Er habe seinen Betrieb erst vor sechs Jahren übernommen und von diesen Leitungen überhaupt nichts gewußt. Die müßten noch von seinem Vater stammen, der - wiewohl Fasano sein Andenken in Ehren hielt - ein Mann seiner Zeit war und sich um die ökologischen Probleme Venedigs eben nicht gekümmert habe. Selbstverständlich hatte man ihn über das Leck im Sedimentationstank und über den Besuch des Klempners unterrichtet. Sein Stellvertreter hatte das Problem geregelt, während er auf Geschäftsreise in Prag weilte. Es war Aufgabe eines Geschäftsführers, sich um all die kleineren Belange des Betriebes zu kümmern, dazu habe er ihn ja eingestellt.
Hier hatte sich Scarpa, sicher angestachelt durch Fasanos überhebliche Art, eingemischt, um zu fragen - Brunetti hatte beim Lesen den sarkastischen Tonfall des Tenente im Ohr -, ob sein Geschäftsführer denn auch für den Tod eines seiner Mitarbeiter zuständig gewesen sei.
»Armer Teufel«, hieß es im Protokoll. »Ich kam an dem Morgen von einem Aufenthalt in meinem Landhaus zurück und erfuhr die traurige Nachricht bei meinem Eintreffen im Büro. Aber was Ihre Frage angeht, Tenente: Nein, ich habe es nicht meinem Geschäftsführer überlassen, sich darum zu kümmern. Obwohl ich den Mann kaum kannte, bin ich sofort hinüber zu De Cal, um meine Hilfe anzubieten, doch da hatte man die Leiche bereits weggeschafft.«
Das hatte offenbar gesessen. Jedenfalls stellte Scarpa keine weiteren Fragen mehr, und der Richter kehrte zu den Sedimentationstanks und den beweglichen Klappen über den Rohrmündungen zurück. Als Boccheses Männer sie entdeckten, waren alle versiegelt gewesen, und Fasano beteuerte erneut, nichts davon gewußt zu haben. An dieser Stelle beschlich Brunetti zum erstenmal der Verdacht, daß Fasano damit durchkommen würde. Sein hochverehrter Vater oder gar sein zweifellos nicht minder verehrter Großvater waren für dieses Leitungssystem verantwortlich und hatten es zu einer Zeit genutzt, als es noch legal war, Abwässer in der Lagune zu entsorgen. Eindeutige Beweise dafür, daß die Leitungen in jüngster Zeit noch in Betrieb waren, lagen nicht vor, und mithin war Fasanos Ruf als Umweltschützer in keiner Weise beschädigt.
Der Richter fragte nicht nach Fasanos Verbindungen zu Tassini und legte keine Beweise für irgendwelche Kontakte vor, die über das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer hinausgegangen wären. Die Telefonate zwischen den beiden blieben unerwähnt. Für den Fall, daß der Richter sie aufs Tapet gebracht hätte, konnte Brunetti sich Fasanos Reaktion leicht ausmalen: Man dürfe doch nicht
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