Brunetti 15 - Wie durch ein dunkles Glas
gelesen, und Vianello hat mir einiges erzählt.« Foa winkte einem Gondoliere zu, der in einiger Entfernung vor ihnen kreuzte. »Die können also unsere Gewässer verschmutzen, soviel sie wollen, und kommen ungestraft davon?«
»Die Leitungen in Fasanos fornace sind versiegelt worden. Kein Mensch weiß, wann, kann Jahre her sein«, erklärte Brunetti. »Man konnte ihm nicht mal nachweisen, daß er davon gewußt hat. Die stammten noch von seinem Vater, vielleicht sogar vom Großvater.«
»Geiziges Pack, alle miteinander«, fluchte Foa.
»Sagt wer?«
Foa nahm eine Hand vom Steuerrad, knöpfte seine Jacke auf und lockerte, der Sonne zu Einen, die Krawatte. »Der Vater eines Freundes, der auf Murano wohnt: Er kannte sie beide, Vater und Großvater Fasano. Und ein Onkel von mir, der für den Senior gearbeitet hat. Die Fasanos, pflegte der zu sagen, täten alles, nur um fünfzig Lire zu sparen.« Und mit einem aufsteigenden Lachen in der Kehle fügte er hinzu: »Und ein Schulfreund von mir, der kann auch ein Lied davon singen.«
»Was ist denn so lustig?« fragte Brunetti, der die Bäume in einem Garten am linken Ufer betrachtete.
»Heute ist er Kapitän bei der actv .« Foa gluckste immer noch vor Vergnügen. »Stammt von Murano, daher kennt er Fasano, und sein Vater kannte dessen Vater und so weiter.«
Solche generationsübergreifenden Nachbarschaftsverhältnisse waren in Venedig gang und gäbe; Brunetti nickte verständnisvoll.
»Nando - so heißt mein Freund - hat mir kürzlich erzählt, daß er Fasano vor ungefähr einer Woche an Bord hatte. Und da hat der doch tatsächlich versucht, sich ums Fahrgeld zu drücken. Ist ohne Karte eingestiegen und hat dann behauptet, er hätte nur vergessen zu stempeln. Dabei hatte er erst gar keine gelöst.«
»Der Kapitän kontrolliert die Fahrkarten?« fragte Brunetti verblüfft. Wenn das tatsächlich vorkam, wer steuerte dann das Boot?
»Nein, nein, das machen schon die Kontrolleure. Normalerweise sind die nur tagsüber im Einsatz, aber in den letzten Monaten haben sie auch nachts kontrolliert, weil die Leute da eben nicht damit rechnen.« Foa unterbrach sich, um den Kapitän eines tiefliegenden Lastkahns zu grüßen, den sie gerade überholten, und Brunetti glaubte, damit sei das Thema abgehakt.
Aber Foa nahm den Faden wieder auf. »Jedenfalls hat Nando, der an Deck war, als es passierte, und Fasano natürlich erkannte, die Kontrolleure am Ende der Tour gefragt, wie er sich denn rausgeredet hätte. Die übliche Leier: Ich habe vergessen zu stempeln, beim Einsteigen versäumt, ein Ticket zu lösen. Aber die Jungs kennen jede Ausrede.« Foa lachte wieder. »Einer hatte mal eine Frau, die behauptete, sie müsse zur Entbindung in die Klinik.«
»Und was ist passiert?«
»Der Kontrolleur hat sie gezwungen, den Mantel aufzuknöpfen, und ihr Bauch war so flach wie ...« Foa stockte, warf einen Blick auf Brunetti und ergänzte: »So flach wie meiner.«
Vielleicht um das verlegene Schweigen zu überbrücken, kehrte Foa zu seiner ursprünglichen Geschichte zurück. »Die Kontrolleure haben Fasanos Ausweis verlangt, doch er behauptete, keinen bei sich zu haben. Hätte seine Brieftasche zu Hause vergessen. Aber dann kramte er etwas Geld aus der Tasche und zahlte das Bußgeld gleich vor Ort. Nando meinte, so geizig, wie der ist, hätte er ihm zugetraut, daß er seinen Namen angegeben und die Anzeige später durch einen Spezi hätte löschen lassen. Aber nein, er zahlte, noch bevor sie seine Personalien für den Bußgeldbescheid aufnehmen konnten.«
Brunetti riß sich von den Betrachtungen über den machtvoll fortschreitenden Frühling los und fragte: »Welche Linie war denn das?«
»Die 42«, sagte Foa, »Richtung Sacca Serenella.«
»Und nachts, sagen Sie?«
»Ja. So hat's mir Nando erzählt.«
»Hat er gesagt, wie spät es war?« fragte Brunetti.
»Hm?« brummte Foa, der gerade hinter einem Frachtboot aufholte und elegant daran vorbeischoß.
»Ob Ihr Freund die Uhrzeit erwähnt hat?«
»Nicht, daß ich wüßte. Aber die Schicht macht normalerweise um Mitternacht Schluß«, sagte Foa und schickte ein langes Hupsignal zu dem Boot hinüber, das sie gerade überholt hatten.
»Wann genau ist das passiert?« fragte Brunetti.
»Irgendwann letzte Woche«, antwortete Foa. »Zumindest habe ich Nando so verstanden. Wieso?«
»Könnten Sie das genaue Datum rauskriegen?«
»Ich denke schon. Wenn er sich noch dran erinnert«, sagte Foa, verwundert über die plötzliche Neugier des
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