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Brunetti 16 - Lasset die Kinder zu mir kommen

Brunetti 16 - Lasset die Kinder zu mir kommen

Titel: Brunetti 16 - Lasset die Kinder zu mir kommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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zu den Schlafräumen. Der ohne Maske folgte ihnen etwas besonnener. Einer der Maskierten stieß die erste Tür auf, und als er sah, daß sie in ein Bad führte, ließ er sie offen und sprintete den Flur hinunter auf eine weitere, leicht angelehnte Tür zu. Er sah das Kinderbettchen und die Mobiles, die sich in der Zugluft langsam zu drehen begannen.
    »Ich hab ihn!« rief der Mann, ohne seine Stimme zu dämpfen.
    Der zweite Maskierte hechtete vor die Tür zum Schlafzimmer gegenüber. Mit vorgehaltener Maschinenpistole stürmte er hinein, dicht gefolgt von seinem Kameraden. Das Ehepaar im Bett fuhr hoch, aufgeschreckt von dem Licht im Flur: Der dritte Mann hatte es angeknipst, bevor er das Kinderzimmer betrat.
    Die Frau schrie und zog sich die Decke über die Brust. Dottor Pedrolli katapultierte sich so blitzartig aus dem Bett, daß er den ersten Eindringling überrumpelte. Bevor der Maskierte reagieren konnte, hatte der nackte Mann ihn gepackt und trommelte mit einer Faust auf seinen Schädel ein, während die andere seine Nase bearbeitete. Der Eindringling schrie vor Schmerz und ging zu Boden, während Pedrolli seiner Frau zurief: »Ruf die Polizei, ruf die Polizei!«
    Der zweite Maskierte bedrohte Pedrolli mit vorgehaltener Waffe. Er sagte etwas, das aber durch die Maske verzerrt wurde, und keiner im Raum konnte ihn verstehen. Pedrolli hätte sowieso nicht auf ihn gehört. Schon stellte er sich ihm mit erhobenen Fäusten kampfbereit entgegen. Der Maskierte reagierte instinktiv. Er zielte mit dem Schaft seiner Waffe auf den Kopf des Gegners und traf ihn über dem linken Ohr.
    Die Frau schrie, und aus dem anderen Zimmer antwortete das Baby mit einem Wimmern, jenem hohen, markerschütternden Laut kindlicher Panik. Worauf die Frau die Bettdecke zurückschlug und, ungeachtet ihrer Nacktheit und nur noch ihrem Instinkt folgend, zur Tür rannte.
    Sie blieb abrupt stehen, als der Unmaskierte ihr den Weg versperrte, und hob unwillkürlich die Arme, um ihre Brüste zu bedecken. Er, sobald er die Situation erfaßt hatte, sprang rasch neben den Vermummten, der seine Waffe auf den nackten Mann gerichtet hielt, der reglos zu seinen Füßen lag. »Du Idiot!« fauchte er den Maskierten an und verkrallte sich im dicken Stoff seiner Jacke. Er zerrte den Mann im Halbkreis herum und stieß ihn dann so jäh von sich, daß der andere ins Taumeln geriet. Nun wandte er sich mit erhobenen Händen der Frau zu. »Dem Baby geht es gut, Signora. Ihm wird nichts geschehen.«
    Sie stand da, vor Panik wie versteinert, und konnte nicht einmal schreien.
    Der Maskierte am Boden, der stöhnend und schwankend, wie ein Betrunkener, auf die Füße kam, brach schließlich den Bann. Er fuhr sich mit einer behandschuhten Hand über die Nase und schien, als er sie zurückzog, schockiert vom Anblick des eigenen Blutes. »Er hat mir die Nase gebrochen«, klagte er mit dumpfer Stimme, bevor er die Maske vom Gesicht streifte und zu Boden fallen ließ. Aus der Nase sickerte das Blut auf seine Jacke. Als er sich dem Mann zuwandte, der offenbar das Kommando hatte, sah die Frau den Schriftzug, der in Leuchtbuchstaben auf seiner wattierten Jacke prangte.
    »›Carabinieri?‹« fragte sie. Ihre Stimme konnte sich kaum durchsetzen gegen das unaufhörliche Geschrei des Babys.
    »Ja, Signora. Carabinieri«, sagte der Mann, der sie angesprochen hatte. »Wußten Sie denn nicht, daß wir kommen würden, Signora?« Und es schwang fast so etwas wie Anteilnahme in seiner Stimme mit.

3
    G uido Brunetti lag an den Rücken seiner Frau geschmiegt und glitt sanft hinüber in den Schlaf der Gerechten. Er schwebte in jener nebelhaften Sphäre zwischen Traum und Wachen und mochte das Hochgefühl, das ihm dieser Tag beschert hatte, nur ungern loslassen. Sein Sohn hatte beim Abendessen beiläufig und ohne den erleichterten Blickwechsel seiner Eltern zu bemerken, einen seiner Klassenkameraden für ziemlich blöd erklärt, weil der mit Drogen experimentierte. Seine Tochter hatte sich bei ihrer Mutter für eine patzige Bemerkung vom Vortag entschuldigt, und die Worte »Berg« und »Prophet« drängten sich schemenhaft in Brunettis Bewußtsein. Seine Frau endlich, mit der er seit über zwanzig Jahren glücklich verheiratet war, hatte ihn mit einem Ansturm amourösen Verlangens überrascht, der ihn so erregte, daß diese zwei Jahrzehnte wie ausgelöscht waren.
    Brunetti ließ sich treiben, vollauf zufrieden und begierig, alles noch einmal Revue passieren zu lassen. Die freiwillige Reue

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