Bruno Chef de police
Hof lag in Ponsac. Ich vermute, dort war die Familie Courrailler zu Hause. Könnten Sie bitte die Unterlagen über die geleisteten Entschädigungszahlungen heraussuchen? Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie irgendwo in unserem Archiv aufbewahrt sind.«
»Kann gut sein«, antwortete der Bürgermeister. »Als die Deutschen Reparationsleistungen gezahlt hatten, sind die Courraillers vor Gericht gezogen und haben darüber gestritten, wie ihr Anteil aufgeteilt werden sollte. Die Familie ist deswegen, soweit ich weiß, noch immer verkracht. Ich werde mir die Unterlagen ansehen und Sie dann zurückrufen. Vermute ich richtig, dass Sie Bachelot und Jean-Pierre in Verdacht haben?«
»Ich will meinen Kollegen nicht vorgreifen. Sollen die ihre Schlüsse ziehen. Was ich Ihnen gesagt habe, bleibt bitte unter uns. Wenn ich gleich ins Militärarchiv zurückgehe, werden wir wahrscheinlich die Beweise sammeln, Kopien erstellen und vom Kurator beglaubigen lassen. Natürlich werde ich auch eine Liste der Familien zusammenstellen, die der
Force mobile
zum Opfer gefallen sind. Entsprechend umfangreich wird die Liste der möglichen Tatverdächtigen sein. Die Ermittlungen könnten sich also hinziehen, zumal die meisten Zeugen wahrscheinlich inzwischen verstorben sind oder aber Probleme haben werden, sich an Einzelheiten zu erinnern.«
»Verstehe. Sie werden aber doch hoffentlich morgen zur Parade zurück sein, oder?«
Der nächste Tag war der 18. Juni, der Jahrestag der Résistance und der von de Gaulle 1940 in London gehaltenen Rede, in der er die Nation zur Fortsetzung des Widerstandes gegen die deutsche Besatzung aufgerufen hatte mit den Worten: »Frankreich hat eine Schlacht verloren! Aber Frankreich hat nicht den Krieg verloren.« Wie immer würden Bachelot und Jean-Pierre wieder ihre Fahnen tragen.
»Ich werde da sein, Monsieur. Übrigens, für das Feuerwerk morgen Abend ist alles vorbereitet.«
»Hoffen wir, dass außer den Raketen nicht noch mehr in die Luft fliegt«, sagte der Bürgermeister, worauf Bruno schweren Herzens, aber entschlossen ins Archiv zurückkehrte.
25
Im Konvoi ging es zurück zur Polizeizentrale nach Périgueux. Bruno fuhr mit Jean-Jacques, gefolgt von Isabelle, in deren Kofferraum das gesamte Beweismaterial steckte. Er wäre lieber mit ihr gefahren, doch Jean-Jacques hatte für ihn die Beifahrertür seines großen Renaults geöffnet und gesagt: »Steigen Sie ein.«
Sie hatten Bordeaux schon hinter sich gelassen und waren auf der Autobahn in Richtung Osten, als Jean-Jacques zu sprechen anfing und sagte: »Falls Sie versuchen sollten, mich hereinzulegen, Bruno, gibt's Ärger.«
»Sie werden mich doch wohl nicht einlochen?« »Wenn nötig, doch«, knurrte Jean-Jacques. »Mir scheint, Sie wissen längst, wer der Mörder ist, und glauben, die Sache vertuschen zu können. Darum sind Sie doch rausgegangen und haben mit dem Bürgermeister telefoniert, stimmt's?«
»Nein, Sie irren«, entgegnete Bruno. »Ich habe allenfalls einen Verdacht, bin mir aber ziemlich sicher, dass keiner von uns, weder ich noch Sie, noch sonst irgendjemand, die erforderlichen Beweise beibringen kann. Die Kriminaltechnik hat, wie Sie wissen, keinerlei Spuren am Tatort entdeckt. Wenn es schon nicht genügend Beweise gegen Richard und Jacqueline gibt, wie wollen Sie sonst irgendjemanden überführen, wenn er nicht von sich aus gesteht? Nicht wenige der alten Widerstandskämpfer haben sogar bei Verhören durch die Gestapo den Mund gehalten. Solchen Typen werden Sie bestimmt kein Geständnis entlocken können. Und wenn die Öffentlichkeit Wind von der Sache bekommt, werden die Anwälte Schlange stehen und sich darum reißen, gratis die Verteidigung zu übernehmen, aus patriotischen Gründen. Es wäre ihnen eine Ehre, den oder die Täter zum Helden zu stilisieren. Jeder ambitionierte und clevere junge Anwalt hätte nach diesem Fall eine große Karriere vor sich. Wissen Sie, was, Jean-Jacques? Ich wette darauf, dass sich unser tüchtiger Tavernier diese Gelegenheit nicht entgehen lässt. Er wird seinen Job bei der
magistrature
an den Nagel hängen, dem Ministerium adieu sagen und ein riesiges Medienspektakel lostreten, von dem er sich versprechen darf, dass es ihn in die Nationalversammlung hievt.«
Jean-Jacques murrte zustimmend und schwieg. Nach einer Weile aber platzte es aus ihm heraus. »Verdammt noch mal, Bruno«, schnaubte er. »Was wollen Sie eigentlich? Dass der Mord unaufgeklärt und nur der Verdacht übrig bleibt, er wäre
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