Bruno Chef de police
rufen. Und dann droht uns ein Riesenskandal. Wir werden darauf angewiesen sein, dass Sie all Ihren politischen Einfluss geltend und Ihren Freunden in Paris begreiflich machen, dass es in dieser Sache keine Gewinner gibt, dass vielmehr ein politischer Alptraum zu befürchten ist, wenn die extreme Rechte Wind davon bekommt, dass Araber im Sold der Deutschen französische Familien terrorisiert und deren Höfe niedergebrannt haben. Ich selbst bin, ehrlich gesagt, so erschüttert, dass ich nicht mehr klar denken kann.«
»Verständlicherweise. Aber wir müssen uns etwas einfallen lassen, und ich verlasse mich da ganz auf Ihren Instinkt, denn der ist viel besser als meiner. Ich bin in dieser Hinsicht allzu sehr Politiker.«
»Genau in der Funktion werden Sie gebraucht werden. Ich muss jetzt los und die Kollegen aus Périgueux instruieren.«
»Haben Sie denen etwa schon von der
Force mobile
erzählt?«, fragte der Bürgermeister. Er zögerte kurz und fügte dann nachdenklich hinzu: »Ich hoffe, nicht. Es wäre gut, wenn wir uns vorher genau überlegen, was und wie viel wir ihnen sagen.«
»Ich hatte noch gar nicht die Zeit, ihnen überhaupt etwas zu sagen«, versuchte Bruno, ihn zu beruhigen. »Allerdings wissen sie, dass wir, Isabelle und ich, im Militärarchiv nach Unterlagen über Hamids mysteriöse Kriegsvergangenheit gesucht haben. Sie werden ihr bald selbst auf die Spur kommen. Ich muss jetzt gehen.«
Der Bürgermeister ließ die Schultern hängen. Er wirkte klein und hilflos in dem großen, prächtig ausgestatteten Wohnzimmer, auf das seine Frau so stolz war, als Bruno sich verabschiedete und draußen von seinem Transporter aus Isabelle anrief. Wenig später legte Bruno ihr in seinem Büro in der
mairie
die Beweismittel vor. Danach meldeten sie sich bei Jean-Jacques und vereinbarten für den kommenden Morgen ein Treffen in Bordeaux. Anschließend rief Bruno Christine in ihrem Hotel in Bordeaux an, ließ sich die Handynummer des Archivars vom
Centre Jean Moulin
geben und kündigte ihm seinen Besuch an. Tavernier zu informieren war, wie Bruno befand, nicht seine, sondern Jean-Jacques' Sache.
Bruno war so niedergeschlagen, dass er nicht daran denken mochte, zu Abend zu essen, doch Isabelle schleifte ihn in die Pizzeria, wo er mehr Wein trank, als ihm guttat. Ohne sich darum zu kümmern, dass in der Stadt womöglich getratscht werden würde, fuhr sie ihn nach Hause und brachte ihn zu Bett. Sie fütterte seine Hühner und legte sich schließlich zu ihm, als er schon eingeschlafen war. Er erwachte in den frühen Morgenstunden und schleppte sich, von Isabelle dazu aufgefordert, ins Bad. Sie setzte Kaffee auf und stellte sich zu ihm in die enge Duschkabine, wo sie sich, vom dampfenden Wasser berieselt, gegenseitig einseiften, was die beiden so in Stimmung brachte, dass sie sich bald auf den Badezimmerfliesen leidenschaftlich liebten. Nachdem sie eine Tasse Kaffee getrunken hatten, gingen sie wieder ins Bett, um sich füreinander ein bisschen mehr Zeit zu lassen, bis der Hahn krähte, was beide zum Lachen brachte. Anschließend duschten sie ein zweites Mal, und während Bruno die Gemüsebeete wässerte, seinen Hund fütterte und frischen Kaffee aufsetzte, fuhr Isabelle zurück in ihr Hotel, um sich umzuziehen. Mit frischen Croissants, die sie bei Fauquet gekauft hatte, kehrte sie zurück, lud Bruno zu sich ins Auto und fuhr los in Richtung Bordeaux.
»Du bist eine außergewöhnliche Frau«, sagte er, als sie bei Niversac die neugebaute Autobahn erreichten. »Hast mich nun schon zum zweiten Mal gerettet, und das, nachdem ich mich dir in volltrunkenem Zustand gezeigt habe.«
»Gern geschehen«, erwiderte sie und streichelte seine Hand, die auf ihrem Schenkel lag. »Aber das Schlimmste ist noch nicht überstanden. Mach dich darauf gefasst. Egal, wer Hamid war oder was er getan hat, er wurde ermordet, und wir müssen seinen Mörder stellen.«
»Ich weiß«, sagte er. »Aber wenn's deine Familie gewesen wäre, dein Hof oder deine Mutter, hättest du dich wahrscheinlich auch an ihm gerächt.«
»Und mich strafbar gemacht?«, fragte sie. »Auch wenn das Motiv nachvollziehbar ist, entschuldigt es nicht den Mord an Hamid. Das ist dir doch klar, oder?« Sie warf ihm einen kurzen Blick zu und sah, dass er traurig nickte. Doch von der Verzweiflung, die ihn am Abend zuvor ergriffen hatte, war er weit entfernt.
Sie waren Punkt neun mit Jean-Jacques und einem Kollegen der Polizei von Bordeaux an der Treppe des
Centre Jean
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