Bruno Chef de police
mit dem Sportredakteur des
Marseillais
telefoniert«, sagte Bruno. »Er war sehr entgegenkommend, als ihm klar wurde, dass ich derjenige bin, der auch auf der Titelseite seiner Zeitung abgelichtet ist. In seinen Unterlagen war nichts zu finden, aber er wollte bei seinen ehemaligen Kollegen nachfragen, die jetzt im Ruhestand sind und sich vielleicht erinnern können, ob in den alten Archiven noch irgendwelches Material liegt. Er hat sogar sämtliche Ausgaben der besagten Monate von 1940 durchgesehen, doch von Amateurmannschaffen war nirgends die Rede.«
»Nun, ich hätte da was«, sagte Christine. »Ich habe nämlich einen Blick auf die Datenbank der Diplom- und Promotionsarbeiten geworfen, speziell solchen, die sich mit Sport beziehungsweise Migrationsgeschichte befassen. Und da sind mir ein paar Arbeiten aufgefallen, die Ihnen weiterhelfen könnten. Eine hat das Thema >Sport und Integration - Fußballmannschaften von Einwanderern, 1919 bis 1940<. Eine andere trägt den Titel >Neubeginn in einem fremden Land - algerische Vereine und Verbände in Frankreich<. Die Texte habe ich im Internet nicht einsehen können, bin aber schon mit einem der Autoren in Kontakt getreten. Er unterrichtet Sportgeschichte an der Universität von Montpellier und glaubt, die von Ihnen gesuchte Mannschaft zu kennen. In Marseille gab es eine Amateurliga -
Les Maghrébins -,
und die Meistermannschaft von 1940 hieß
Oraniens
nach der Stadt Oran in Algerien, aus der die meisten Spieler stammten. Hier ist seine Telefonnummer. Er hat einen äußerst sympathischen Eindruck auf mich gemacht.«
»Ich staune«, sagte Bruno. »Das haben Sie alles aus Ihrem Computer geholt?«
»Ja, und inzwischen ist auch der eine Text bei mir gelandet. Er hat ihn mir per Mail geschickt.«
»Sehr freundlich«, sagte Bruno. »Das wäre dann meine Bettlektüre. Aber zuerst freue ich mich auf eine Kostprobe englischer Küche in Gesellschaft von zwei schönen Frauen. Also bitte ab jetzt kein Wort mehr über Verbrechen und Gewalt. Genießen wir diesen Abend.«
»Zuerst müssen Sie uns verraten, was Sie von einer englischen Köchin erwarten«, sagte Pamela. »Wir sind auf das Schlimmste gefasst.«
»Das Roastbeef war zu lange im Ofen, der Senf ist zu scharf, die Würstchen stammen vom Bäcker, der Fisch steckt in einer viel zu dicken, klebrigen Panade, das Gemüse ist zu Brei verkocht, und am Ende schmeckt alles nur nach der seltsam gewürzten Sauce aus einer braunen Flasche. So war's jedenfalls an dem Wochenende, als wir zum internationalen Rugbyturnier nach Twickenham gefahren sind. Das Frühstück mit Rührei und Schinken war ja lecker, aber alles andere ungenießbar«, bemerkte Bruno. »Aber inzwischen soll sich ja in England, wie man hört, die indische Küche durchgesetzt haben.«
»Pamelas Kochkünste werden Sie eines Besseren belehren«, erwiderte Christine. »Übrigens, wie finden Sie den Champagner?«
»Ausgezeichnet.«
»Tja, er ist aus England.« Pamela drehte die Flasche, damit er das Etikett sehen konnte. »In Blindverkostungen hat er französischen Champagner um Längen geschlagen. Er wird im englischen Königshaus serviert, und Christine hat mir diese Flasche mitgebracht. Allerdings muss ich fairerweise zugeben, dass der Hersteller ein Franzose aus der Champagne ist.«
»Trotzdem, ich bin beeindruckt«, sagte Bruno. »Ihr Engländer bringt es doch immer wieder fertig, uns Franzosen zu überraschen.«
Als die Frauen ihn ins Haus führten, sah sich Bruno neugierig um. Sie betraten einen länglichen Raum, der nach oben hin bis unters Dach offen war. Auf halber Höhe befand sich eine kleine Galerie mit Balustrade. Ein riesiger Kamin beherrschte die Stirnwand, und die Fenster auf der einen Seite reichten nach französischer Art bis zum Boden. Die gegenüberliegende Wand verschwand hinter Regalen voller Bücher. Ein halbes Dutzend großer, offenbar bequemer Lehnstühle, teils mit Leder, teils mit Chintz bezogen, verteilte sich im Raum.
»Sehr schön«, bemerkte er. »So sah's bestimmt nicht aus, als Sie hier eingezogen sind.«
»Nein. Weil das Dach neu gedeckt werden musste und mehrere Balken zu ersetzen waren, habe ich mich dazu durchgerungen, die Zwischendecke herauszunehmen. Kommen Sie, wir essen nebenan.«
Das Esszimmer war kleiner und in einem Farbton gehalten, der zwischen Gold und Orange changierte. In der Mitte standen ein großer, ovaler Tisch aus dunklem Holz und zwölf Stühle. Am äußersten Ende war für drei Personen gedeckt mit jeweils
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