Bruno Chef de police
Überraschung hoben die beiden Engländerinnen ihre rechte Hand und schlugen sie klatschend aufeinander. Er schmunzelte über diese Geste und widmete sich wieder seinem Essen und dem Wein aus Cornwall. Aus der Schule wusste er, dass das Kornische eine keltische Sprache war und darum mit dem Bretonischen verwandt - was wiederum die Qualität ihres Weins erklärte. Selbst der Name von Pamelas Heimat,
Grande Bretagne,
zeugte von der engen Nachbarschaft.
Der Salat aus Pamelas Garten war frisch und knackig. Der unter den Kopfsalat gemischte Rucola war zwar seines Wissens nicht gerade englisch, doch der Käse, ein von Christine mitgebrachter Stilton, schmeckte großartig. Zum Nachtisch servierte Pamela eine selbstgemachte Eiscreme mit Erdbeeren, die wiederum aus ihrem Garten stammten. Bruno war rundum zufrieden und gelobte, sich nie wieder abfällig über die englische Küche zu äußern.
»Warum weiß eigentlich keiner, dass die englische Küche so gut sein kann?«, wollte er wissen.
Beide Frauen antworteten gleichzeitig. »Die industrielle Revolution«, sagte Christine, und Pamela meinte: »Der Krieg und die Lebensmittelrationierung.« Sie lachten.
»Erklär du ihm deine Theorie, Christine. Ich sorge inzwischen für das i-Tüpfelchen«, sagte Pamela.
»Der Grund ist denkbar simpel«, erläuterte Christine. »Mit der industriellen Revolution, die in England bekanntlich früher stattfand als in anderen europäischen Ländern, kam der Ackerbau fast gänzlich zum Erliegen. Kleine Farmen mussten der Schafzucht weichen, die weniger arbeitsintensiv war und keine hohen Investitionen erforderte. Gleichzeitig gab es bessere Pflüge und Anbaumethoden, was weniger Arbeitskräfte, dafür aber höhere Investitionen erforderte. Die Landarbeiter fanden Beschäftigung in den neuen Fabriken, und so wuchsen mit der Industrie die Städte und ein Bedarf an Lebensmitteln, die einfach zu transportieren, gut zu lagern und auf die Schnelle zuzubereiten waren, weil auch die meisten Frauen in den Fabriken arbeiteten und keine Zeit mehr hatten, lange am Herd zu stehen. Gleichzeitig waren in Nordamerika und Argentinien große Farmen entstanden, und weil das britische Königreich seine Grenzen für den freien Handel öffnete, konnten die noch übriggebliebenen Landwirte mit den sehr viel günstigeren Weltmarktpreisen nicht mehr konkurrieren. Es kamen billige Lebensmittel ins Land, Fleisch in Konserven und Brot aus Massenproduktionen. Und in den allmählich kleiner werdenden Familien gingen die von Generation zu Generation weitergereichten traditionellen Kochkünste verloren.«
»So etwas Ähnliches könnte auch im heutigen Frankreich passieren«, bemerkte Bruno. »Sie, Pamela, nannten den Krieg als Ursache. Wie meinen Sie das?« Er wandte sich zu Pamela, die in die Küche gegangen war, um gleich darauf mit einem kleinen Tablett zurückzukehren, auf dem eine große dunkle Flasche, ein Krug Wasser und drei kleine Gläser standen.
»Moment«, mischte sich Christine ein. »Ihr Franzosen habt Konserven erfunden, und zwar in den napoleonischen Kriegen, und spätere Kriege haben die Konserven noch weiter verbreitet: der Krimkrieg in den 1850ern, der amerikanische Bürgerkrieg in den 1860ern und der Deutsch-Französische Krieg 1870 bis 71: In all diesen Kriegen haben Lebensmittelkonserven eine entscheidende Rolle gespielt. Nur so konnte die Verpflegung großer Armeen sichergestellt werden. Vor ein paar Tagen habe ich hier im Supermarkt Fray-Bentos-Dosen entdeckt - wissen Sie überhaupt, woher der Name kommt?«
Bruno schüttelte den Kopf, lehnte sich aber interessiert vor. Klar waren für die Versorgung dieser riesigen Armeen aus Wehrpflichtigen Lebensmittelkonserven erforderlich gewesen, wahrscheinlich wäre der Stellungskrieg in den Schützengräben des Ersten Weltkriegs ohne Konserven gar nicht möglich gewesen.
»Fray Bentos ist eine Stadt in Uruguay, die in den 1860ern Fleischextrakt nach Europa exportiert hat, um das Fleisch der Tiere zu verwerten, die für die südamerikanische Lederindustrie getötet worden waren. Schon bald wurde der Fleischexport wichtiger als der Lederhandel.«
»Faszinierend«, sagte Bruno. »Ich wusste zwar, dass Sie sich mit französischer Geschichte auskennen, aber doch nicht mit Ernährungsgeschichte.«
»So bringe ich meinen Studenten etwas über Globalisierung bei«, sagte Christine. »Man muss ihnen zeigen, dass Geschichte etwas mit ihrem eigenen Leben zu tun hat, und am leichtesten geht das über die Geschichte
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