Buch des Todes
an.
»Und Sie, was haben Sie vor?«
»Das, was Polizisten so tun. Diese Person festnehmen.«
»Allein?«, fragte der Verwalter.
»Sehen Sie noch jemand anderen?«, fragte er und deutete mit einer Kopfbewegung an, dass er das mit dem Verschwinden durchaus ernst gemeint hatte.
Der Verwalter verstand den Wink mit dem Zaunpfahl und ging langsam in Richtung Tor.
Dass ich meine Dienstwaffe aber auch, verflixt noch mal, nicht mitgenommen habe, dachte Singsaker, als er in Richtung Treppe ging.Aber wer hätte denn ahnen können, dass die kurze Befragung eines Bauern in einer solchen Verfolgungsjagd endete?
Am oberen Ende der Treppen blieb er schwer atmend stehen und sah unsicher zur Eingangstür. Er traute Nevins’ Aussage nicht, dass Silvia Freud unbewaffnet war.Aber hätte sie ihn dann andererseits mit einer Brechstange niedergeschla gen? Wäre sie bewaffnet gewesen, hätte sie sicher ihre Waffe benutzt, das wäre deutlich effektiver gewesen. Zumindest wusste er jetzt, dass Silvia Freud bereit war, Gewalt anzuwenden.
Mit unsicheren Fingern fand er das Handy in seiner Tasche und holte es heraus. Brattberg. Ich muss Brattberg anrufen, dachte er. Sie ist die Richtige, um Verstärkung im Revier in Brekstad anzufordern, die dann im Laufe von fünf Minuten vor Ort sein könnten. Statt anzurufen, betrachtete er ein paar unter ihm vor der Burgwand aufgereihte Holzstatuen. Plötzlich wurde ihm schwindelig.Verflucht, dachte er, das ist jetzt aber wirklich ungelegen. Dann drehte er sich zur Tür um und öffnete sie.
»Wissen Sie, was Sie verraten hat?«, fragte Felicia bemüht freundlich. Sie wollte Nevins zum Reden bringen, denn obgleich sie den Krangsås-Hof schon sehen konnten, war es sicher noch ein guter Kilometer bis dorthin. Die Stille, die sie umgab, seit Singsaker hinter den Bäumen verschwunden war, bedrückte sie.
Nevins antwortete nicht.
»Sie haben behauptet, sich nicht mit skandinavischen Büchersammlungen auszukennen.Warum haben Sie mich angelogen? Wissen Sie, es sind oft die unnötigen Lügen, die die Menschen entlarven. Man könnte fast meinen, Sie hätten es darauf angelegt, dass wir Ihnen auf die Schliche kommen. Ich meine, Sie selbst haben mir die Inschrift mit Knudtzons Namen gezeigt, die uns nach Norwegen geführt hat. Soll das so eine Art Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei werden, Nevins?«
Nevins ging einfach weiter schweigend neben ihr her. Seine Hände steckten in den Handschellen. Sie hielt ihn an einem Arm fest, hatte aber keine Sorge, dass er ihr weglaufen könnte. Er kannte sich hier ebenso wenig aus wie sie. Sie gingen ein ganzes Stück, ehe er sich plötzlich entschied, das Schweigen zu brechen:
»Eine Sache, die Sie gesagt haben, hätte mich fast dazu bewogen, diesen idiotischen Kauf auf Eis zu legen.«
»Kau f ? Für Sie ist das ein ganz normaler Handel?«
»Ja, das ist meine Rolle in diesem Spiel.Alles andere müssen Sie woanders herausfinden. Ich war im Frühling hier auf einer Konferenz, eigentlich war das ein Gegenbesuch, denn die Universitätsbibliothek von Trondheim hatte in der Woche davor jemanden zu einer Tagung bei uns geschickt. Es ist reiner Zufall, dass es sich dabei um die Bibliothekarin handelte, die jetzt ermordet worden ist. Ich hatte kaum mit ihr zu tun. Entscheidend für mich war, dass ich bei meinem ersten Besuch hier Silvia Freud kennengelernt habe, und dass sie mir dieses Buch angeboten hat. Ich bin der Versuchung erlegen. Ich bin schon lange ein manischer Buchsammler, ich habe viel Geld, und dieser Deal schien mir eine absolut sichere Sache zu sein. Sie aber haben mich auf ganz andere Gedanken gebracht.«
»Wie das?«
»Ich wusste ja von Anfang an, dass ich dieses Buch niemals jemandem würde zeigen können. Das war sozusagen Teil des Deals. Sie haben ebendiesen Gesichtspunkt in Richmond angesprochen, und wie Sie das damals gesagt haben, klang für mich sehr überzeugend. Sammeln bedeutet auch, etwas vor der Welt zu verstecken. Letzten Endes hat es mich dann aber doch nicht dazu veranlasst, die ganze Sache zu stoppen. Erst recht nicht, nachdem Bond den Palimpsest entdeckt hatte. Ich habe ihm mehr bei der Interpretation des Textes geholfen, als ich Ihnen gegenüber eingestanden habe. Bond fand mit der Zeit zwar mehr heraus als ich, aber ich wusste genug. Ich war mir sicher, dass die Palimpseste etwas mit dem Johannesbuch zu tun hatten, und dass dieses Buch eine Geschichte hatte, mit der sich nur die wenigsten anderen Bücher messen konnten. Es war fast so, als
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