Buch des Todes
Inspirationsquellen für den Mörder herangezogen. Die Pressekonferenz, die um 14.00 Uhr im Präsidium stattgefunden hatte, schien die Fantasie des Volkes nicht gedämpft zu haben, obwohl sowohl der Polizeichef Ottis Toole, der Bezirksstaatsanwalt Henry Lucas und der Ermittlungsleiter Elijah Johnes ihr Bestes getan hatten, den Mord als Einzeltat darzustellen, die genauso untersucht werden würde wie alle anderen Morde in der Stadt.
Während des sogenannten Kriegsrates in einem überhitzten Sitzungsraum mit schlechter Klimaanlage, bei dem Pat terson, Laubach und Stone persönlich anwesend waren, hatte Johnes auf diesen Punkt besonderen Wert gelegt.
»Das haben wir im Griff«, sagte er. »Wir dürfen uns nicht von all dem Blut und der Brutalität dieser Tat beeindrucken lassen. Das ist ein Mord wie alle anderen, und auf Mordermittlungen verstehen wir uns schließlich.«
Johnes war ein groß gewachsener Mann mittleren Alters. Seine Haare waren kurz geschoren, damit man die tiefen Geheimratsecken nicht so sah. Über seine Stirn zog sich eine tiefe Sorgenfalte, die nie verschwand, nicht einmal an ruhigen Tagen, wenn er in seinem Büro einmal richtig abschalten und sogar die Augen schließen konnte. Er war ein vernünftiger, nüchterner Mann, ein Praktiker, der auch bei den grausamsten Fällen nie den Kopf verlor. Nach einer fünfzehnminütigen Rede hatte er die anderen endlich davon überzeugen können, dass auch der Poe-Mord, wie die Medien ihn mittlerweile nannten, lösbar war, und dass diese Lösung vermutlich wie immer irgendwo im Leben des Mordopfers zu finden war.
»Es würde mich sehr überraschen«, sagte Johnes, »wenn der Mörder nicht schon vorher Kontakt mit Efrahim Bond gehabt hätte.Wie bei all unseren Fällen sollten wir uns erst einmal seine Familie genauer ansehen, sowie eventuelle Lebensgefährten und Kollegen.«
Nach Johnes’ Ansprache war ihnen die Ermittlungsarbeit beinahe wie Routine vorgekommen. Und als Felicia Stone nun am Sektionstisch stand, um einen ersten, vorläufigen Bericht zu bekommen, war auch das etwas, was sie schon viele Male getan hatte, sodass sie wusste, wonach sie fragen sollte.
Das Wichtigste zuerst. Dem Opfer war mit einem stump fen Gegenstand auf den Kopf geschlagen worden, möglicher weise mit einem Brecheisen oder einem Metallrohr. Bond hatte diese Schläge überlebt, war danach aber vermutlich bewusstlos gewesen. Danach hatte der Täter seinen Oberkörper gehäutet, ihn an das Poe-Denkmal gefesselt und ihm den Kopf abgetrennt. Die Reihenfolge war inzwischen ziem lich sicher. Der Tod war irgendwann im Laufe des Abends vor dem Fund der Leiche eingetreten.
»Können Sie etwas darüber sagen, wie er enthauptet worden ist?«, wollte sie wissen und fragte sich, ob sie zu lange in die blauen Augen des Rechtsmediziners geblickt hatte.Was würde sie wohl über ihn denken, wenn er die wenigen Male, die sie miteinander gesprochen hatten, nicht jedes Mal neben irgendeiner Leiche gestanden hätte? War er einer dieser Männer, die zu treffen sie immer gehofft hatte? Dessen Berührungen ihrem ganzen Körper guttaten und die sie bis tief in ihren Bauch spürte?
»Die Enthauptung ist alles andere als vorbildlich, um es mal so auszudrücken«, sagte er.
»Also ein Amateur?«
»Ja, das würde ich sagen, aber so viele professionelle Henker gibt es heutzutage ja nicht mehr, oder?« Wieder dieses lakonische Lächeln.
»Sie verstehen, was ich meine«, sagte sie humorlos. »Hat er das schon einmal gemacht?«
»Schwer zu sagen, aber würden Sie mir das Messer an die Kehle halten, würde ich verneinen.Wenn es sein Ziel war, seinem Opfer rasch und effektiv den Kopf vom Körper zu trennen, hatte er wirklich keine Ahnung. Das Werkzeug war falsch gewählt, vermutlich ein kleines Beil und ein scharfes Messer, aber für diesen Zweck bei Weitem nicht scharf genug.Auch seine Technik war unausgereift. Es macht den Eindruck, als hätte er mit dem Messer mehr gehackt als geschnitten.«
»Dann hatte der Täter vor der Tat keine Ahnung, wie man einen Menschen enthauptet? Verstehe ich Sie da richtig?«
»Entweder das, oder aber er hat die Enthauptung mit Absicht in die Länge gezogen. Das Ganze, all die Schläge und Schnitte, folgt einem eigenen Rhythmus.Als hätte es ihm Spaß gemacht.«
»Und was ist mit der Häutung?«
»Auch die ist nicht sehr präzise. Vermutlich hat er dafür dasselbe Messer benutzt wie für den Hals. An mehreren Stellen hat er zu tief ins Fleisch geschnitten. Aber dass er es
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