Bucheckern
überlegte einige Sekunden lang. „Ich halte es zumindest für denkbar. Der Täter muss auf jeden Fall viel Kraft gehabt haben. Der Junge wurde auf dem Dachboden erschlagen. Das Haus, in dem sein Großvater wohnt, hat fünf Stockwerke und keinen Aufzug. Irgendwie hat der Täter das Kind von knapp vierzig Kilo unbemerkt über die Treppe nach unten gebracht. Wie er das angestellt hat, wissen wir noch nicht, aber auch das werden wir herausfinden.“ Lindt stand die Freude über den Erfolg und die Zuversicht, auch die restlichen Fragen lösen zu können, deutlich ins Gesicht geschrieben.
„Es gibt ja noch ein paar andere Spuren vom Tatort und vom Fundort der Leiche. Haben Sie die schon verglichen?“
„Der Jan ist gerade bei der KTU und wartet auf die Ergebnisse. Vielleicht haben wir ja Glück und irgendein Indiz passt.“
Kaum hatte Lindt das gesagt, kam der mit einem dicken Bündel von Akten zur Tür herein.
„Den haben wir schon fast! Hier, Chef ...“ Er gab Lindt die erste Mappe. „Die Reifenspuren am Leichenfundort – Sie wissen doch noch, ein Fahrzeug hatte wohl gewendet – sind zu 95 Prozent identisch mit denen auf dem Kleintransporter in der Halle. Ja, der stand doch da, als ich mit den Kindern ...“ Etwas verlegen schaute Sternberg zum Staatsanwalt hinüber.
Der aber verkniff sich eine neuerliche Ermahnung und Lindt fiel seinem Mitarbeiter schnell ins Wort: „Leider werden wir ihm wohl kaum beweisen können, dass er am betreffenden Tag damit gefahren ist – oder hat die KTU noch ein Fahrtenbuch gefunden, in dem ›Wald-Leopoldshafen‹ aufgeführt ist?“
„Das nicht, aber auf jeden Fall sind seine Fingerabdrücke im Fahrerhaus und im Laderaum. Und ...“, Sternberg machte es spannend, „die Fingerabdrücke sind identisch mit denen auf der Zigarettenpackung, die Sie, Chef, letzte Woche am Fundort der Leiche entdeckt haben.“
„Prima, an diese Spur habe ich im Moment gar nicht mehr gedacht.“
Lindt war zufrieden, wie sich ein Puzzleteil zum anderen fügte und wandte sich an Staatsanwalt Conradi: „Wenn wir also noch mal zusammenfassen, dann deutet alles daraufhin, dass es im Moment drei Personen gibt, die für verschiedene Straftaten dringend verdächtig sind.
Erstens: Alfred Burgbacher, Bauingenieur im städtischen Umweltamt: Mordversuch an Journalist Klaus Ebert und Vorteilsannahme im Amt, leider immer noch flüchtig.
Zweitens: Roland Behrens, Geschäftsführer von ›Blanco‹“
„Und Betriebsleiter der Abfallverwertungsgesellschaft ›Blanco-SAV‹, soviel wissen wir schon“, unterbrach ihn Tilmann Conradi.
„Ah, ja“, fuhr Lindt fort, „also leitet er beide Firmen, das wird ja immer besser. Dem können wir wahrscheinlich illegale Abfallbeseitigung und Beamtenbestechung zur Last legen.“
„Drittens: der Mann fürs Grobe.“
„Gut formuliert, Paul“, Oskar Lindt nickte. „Kurt Katz, zuständig für die Drecksarbeit. Transportiert das Gift und lässt es dann später im Boden versickern. Manches pumpt er vielleicht in die Firmenkläranlage, damit es bei seinen Kollegen nicht so auffällt.“
„Dieses Muskelpaket“, warf Jan Sternberg ein, „beobachtet eines Tages zufällig, wie ein zwölfjähriger Junge auf dem Firmengelände Erde in eine Tüte kratzt und durch den löcherigen Maschendrahtzaun wieder in Richtung der Kleingärten verschwindet.“
„Man sagt den Bodybuildern ja nicht immer höchste Intelligenzwerte nach.“ Staatsanwalt Conradi war die Abneigung gegenüber der Gattung ›Muskelmann‹ deutlich anzumerken.
„Aber hier hat es wohl gerade noch gereicht. Er erkennt höchste Gefahr, wenn der Junge rausbekommt, was in der Erde ist.“
Lindt nickte ihm zu: „Genauso sehe ich es auch. Der Katz bemerkt vielleicht nur undeutlich durch eines der dreckigen Hallenfenster, dass da draußen jemand herumstreift. Bis er aber zur Tür herauskommt, sieht er gerade noch, wie das Kind abhaut. Er kommt im Gegensatz zu dem schmalen beweglichen Jungen in der Dornenwildnis nicht so schnell voran und dreht wahrscheinlich um. Mit dem bereitstehenden Lieferwagen versucht er, den Jungen zu verfolgen.“
Paul Wellmann spann den Faden weiter: „Vermutlich hat er sich nicht getraut, den Jungen in der Gartenanlage zu schnappen und später, als der mit seinem Großvater zusammen heim radelte, konnte er auch nicht zuschlagen.“
„Aber, Paul, wenn er mit seinem Opa unterwegs war, wie kam Katz dann unbemerkt an ihn ran?“ Für Jan Sternberg war hier ein Bruch in der
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