Buddenbrooks
Courant die Wage gehalten worden. Das Vermögen also betrug, abgesehen von jedem Grundbesitz, in runder Zahl 750 000 Mark Courant.
Selbst Thomas war, bei aller Einsicht in den Geschäftsgang, von seinem Vater über diese Höhe im Unklaren gelassen wor {280} den, und während die Konsulin mit ruhiger Diskretion die Zahl entgegennahm, während Tony mit einer allerliebsten und verständnislosen Würde geradeaus blickte und dennoch einen ängstlichen Zweifel aus ihrer Miene nicht verbannen konnte, welcher ausdrückte: Ist das auch viel? Sehr viel? Sind wir auch reiche Leute? … während Herr Marcus sich langsam und anscheinend zerstreut die Hände rieb und Konsul Kröger sich ersichtlich langweilte, erfüllte ihn selbst diese Zahl, die er aussprach, mit einem nervösen und treibenden Stolz, der sich beinahe wie Unmut ausnahm.
»Wir müßten längst die Million erreicht haben!« sagte er mit vor Erregung gepreßter Stimme, indeß seine Hände zitterten … »Großvater hat in seiner besten Zeit schon 900 000 zur Verfügung gehabt … Und welche Anstrengungen seitdem, welch hübscher Erfolg, welche guten Coups hie und da! Und Mamas Mitgift! Mamas Erbe! Ach, aber die beständige Zersplitterung … Mein Gott, sie liegt in der Natur der Dinge; verzeiht, wenn ich in diesem Augenblick allzu ausschließlich im Sinne der Firma rede und wenig familiär … Diese Mitgiften, diese Auszahlungen an Oncle Gotthold und nach Frankfurt, diese Hunderttausende, die dem Betrieb entzogen werden mußten … Und das waren damals nur
zwei
Geschwister des Firmenchefs … Genug, wir werden zu thun bekommen, Marcus –!«
Die Sehnsucht nach That, Sieg und Macht, die Begier, das Glück auf die Kniee zu zwingen, flammte kurz und heftig in seinen Augen auf. Er fühlte die Blicke aller Welt auf sich gerichtet, erwartungsvoll, ob er das Prestige der Firma, der alten Familie zu fördern und auch nur zu wahren wissen werde. An der Börse begegnete er diesen musternden Seitenblicken aus alten jovialen, skeptischen und ein bißchen moquanten Geschäftsmannsaugen, welche zu fragen schienen: »Wirst de Saak ook unnerkregen, min Söhn?« Ich werde es! dachte er …
Friedrich Wilhelm Marcus rieb sich bedächtig die Hände, und Justus Kröger sagte:
{281} »Na, ruhig Blut, alter Tom! Die Zeiten sind nicht mehr wie damals, als dein Großpapa preußischer Heereslieferant war …«
Und nun begann ein ausführliches Gespräch über die großen und kleinen Anordnungen des Testamentes, ein Gespräch, an dem sich Alle beteiligten, und in welchem Konsul Kröger die gute Laune vertrat, indem er von Thomas beständig als von »Seiner Hoheit dem nunmehr regierenden Fürsten« sprach. »Der Speicher-Grundbesitz bleibt der Tradition gemäß ohne Weiteres bei der Krone«, sagte er.
Im Übrigen gingen, wie sich versteht, die Bestimmungen dahin, daß Alles nach Möglichkeit beisammengelassen werden sollte, daß Frau Elisabeth Buddenbrook im Prinzip Universalerbin sei, und das ganze Vermögen im Geschäfte verbleibe, wobei Herr Marcus konstatierte, daß er das Betriebskapital als Teilhaber um 120 000 Courant verstärke. Für Thomas waren als vorläufiges Privatvermögen 50 000 ausgesetzt und die gleiche Summe für Christian, in dem Falle, daß er sich selbständig etabliere. Justus Kröger war eifrig bei der Sache, als der Passus verlesen ward: »Die Fixierung der Mitgift-Summe für meine innig geliebte jüngere Tochter Clara im Falle ihrer Verehelichung überlasse ich dem Ermessen meiner inniggeliebten Frau« … »Sagen wir 100 000!« schlug er vor, indem er sich zurücklehnte, ein Bein über das andere schlug und mit beiden Händen seinen kurzen grauen Schnurrbart empordrehte. Er war die Coulance selbst. Aber man setzte die hergebrachte Summe von 80 000 Courantmark fest.
»Im Falle einer abermaligen Verheiratung meiner innig geliebten ältesten Tochter Antonie«, hieß es weiter, »darf angesichts der Thatsache, daß bereits an ihre erste Ehe 80 000 Courantmark gewendet worden, als Aussteuer die Summe von 17 000 Thalern Courant nicht überschritten werden …« Frau Antonie bewegte mit ebenso graziöser wie erregter Geste die Arme nach vorn, um die Ärmel der Taille zurückzuschieben, und sie blickte zur Decke empor, indem sie ausrief:
{282} »
Grünlich – ha
!« Es klang wie ein Kriegsruf, wie ein kleiner Trompetenstoß. »Wissen Sie eigentlich, wie es sich mit dem Manne verhält, Herr Marcus?« fragte sie. »Wir sitzen eines harmlosen
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