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Buddenbrooks

Buddenbrooks

Titel: Buddenbrooks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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Herrn, und ick wollt man die Stiefel bringen, un doar sitt Herr Kunsel doar upp'm Lehnstaul und kann nich reden und kiemt man immer bloß so, un ick glöw, dat geht nich gaut, denn Herr Kunsel is ook goar tau geel …«
    »Zu Grabow!« schrie Thomas und drängte sie zur Thür hinaus.
    »Mein Gott! O mein Gott!« rief die Konsulin, indem sie die Hände neben ihrem Gesichte faltete und hinaus eilte …
    »Zu Grabow … mit einem Wagen … sofort!« wiederholte Tony atemlos.
    {272} Man flog die Treppe hinunter, durchs Frühstückszimmer, ins Schlafzimmer.
    Aber Johann Buddenbrook war schon tot.

{273} Fünfter Teil.
    1.
    »Guten Abend, Justus«, sagte die Konsulin. »Geht es dir gut? Nimm Platz.«
    Konsul Kröger umarmte sie zart und flüchtig und schüttelte seiner ältesten Nichte die Hand, die gleichfalls im Eßsaale zugegen war. Er zählte nun ungefähr fünfundfünfzig Jahre und hatte sich zu seinem kleinen Schnurrbart einen starken runden Backenbart wachsen lassen, der das Kinn frei ließ und ganz grau war. Über seine breite und rosige Glatze waren sorgfältig ein paar spärliche Haarstreifen frisiert. Ein breiter Trauerflor saß an dem Ärmel seines eleganten Leibrockes.
    »Weißt du das Neueste, Bethsy?« fragte er. »Ja, Tony, dich wird es besonders interessieren. Kurz, unser Grundstück, vorm Burgthor, ist nun verkauft … an wen? Nicht etwa an
einen
Mann, sondern an zwei, denn es wird geteilt, das Haus wird abgebrochen, ein Zaun quer hindurch gezogen, und dann baut sich rechts Kaufmann Benthien und links Kaufmann Sörenson eine Hundehütte … nun, Gott befohlen.«
    »Unerhört«, sagte Frau Grünlich, indem sie die Hände im Schoße faltete und zum Plafond emporblickte … »Großvaters Grundstück! Gut, damit ist das Besitztum verpfuscht. Der Reiz bestand gerade in der Weitläufigkeit … die eigentlich überflüssig war … aber das war das Vornehme. Der große Garten … bis zur Trave hinunter … und das zurückliegende Haus, mit der Auffahrt, der Kastanienallee … Nun wird es also geteilt. Benthien wird vor der einen Thür stehen und seine Pfeife rauchen und Sörenson vor der anderen. Ja, ich sage auch ›Gott befohlen‹, Oncle Justus. Es ist wohl niemand mehr vornehm genug, um das Ganze zu bewohnen. Gut, daß Großpapa es nicht mehr zu sehen bekommt …«
    {274} Die Trauerstimmung lag noch zu schwer und ernst in der Luft, als daß Tony ihrer Entrüstung in lauteren und stärkeren Worten hätte Ausdruck geben mögen. Es war am Tage der Testamentseröffnung, zwei Wochen nach des Konsuls Ableben, nachmittags halb 6 Uhr. Die Konsulin Buddenbrook hatte ihren Bruder in die Mengstraße gebeten, damit er sich mit Thomas und Herrn Marcus, dem Prokuristen, an einer Unterredung über die Verfügungen des Verstorbenen und die Vermögensverhältnisse beteilige, und Tony hatte den Entschluß kundgethan, gleichfalls an den Auseinandersetzungen teilzunehmen. Dieses Interesse, hatte sie gesagt, sei sie der Firma sowohl wie der Familie schuldig, und sie trug Sorge, dieser Zusammenkunft den Charakter einer Sitzung, eines Familienrates zu verleihen. Sie hatte die Fenstervorhänge geschlossen und trotz der beiden Paraffinlampen, die auf dem ausgezogenen, grüngedeckten Speisetisch brannten, zum Überfluß sämtliche Kerzen auf den großen vergoldeten Kandelabern entzündet. Außerdem hatte sie auf der Tafel eine Menge Schreibpapiers und gespitzter Bleistifte verteilt, von denen niemand wußte, wozu sie eigentlich gebraucht werden sollten.
    Das schwarze Kleid gab ihrer Gestalt eine mädchenhafte Schlankheit, und obgleich sie den Tod des Konsuls, dem sie während der letzten Zeit so herzlich nahe gestanden, vielleicht von Allen am schmerzlichsten empfand, obgleich sie noch heute bei dem Gedanken an ihn zweimal in bittere Thränen ausgebrochen war, vermochte die Aussicht auf diesen kleinen Familienrat, diese kleine ernsthafte Unterredung, an der sie mit Würde teilzunehmen gedachte, ihre hübschen Wangen zu röten, ihren Blick zu beleben, ihren Bewegungen Freude und Wichtigkeit zu geben … Die Konsulin dagegen, ermattet vom Schrecken, vom Schmerz, von tausend Trauerformalitäten und den Begräbnisfeierlichkeiten, sah leidend aus. Ihr Gesicht, von den schwarzen Spitzen der Haubenbänder umrahmt, erschien {275} noch bleicher dadurch, und ihre hellblauen Augen blickten matt. In ihrem glattgescheitelten, rotblonden Haar aber war noch immer kein einziges weißes Fädchen zu sehen … War auch dies noch die

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