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Buddenbrooks

Buddenbrooks

Titel: Buddenbrooks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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Gerda Arnoldsen, Tonys ehemalige Pensionsgenossin, deren Vater, der große Kaufmann, und beinahe noch größere Geigenvirtuos, sowie seine verheiratete Tochter und ihr Gatte ebenfalls zugegen waren.
    Ich erinnere mich sehr wohl, daß Gerda – gestattet, daß ich mich bereits ausschließlich des Vornamens bediene – schon als ganz junges Mädchen, als sie noch bei Mademoiselle Weichbrodt am Mühlenbrink zur Schule ging, einen starken und nie ganz verlöschten Eindruck auf mich gemacht hat. Jetzt aber sah ich sie wieder: größer, entwickelter, schöner, geistreicher … Erlaßt mir, da sie leicht ein wenig ungestüm ausfallen könnte, die Beschreibung ihrer Persönlichkeit, die Ihr bald von Angesicht zu Angesicht werdet schauen können!
    Ihr könnt Euch denken, daß sich eine Menge von Ausgangspunkten zu einem guten Tischgespräche darboten; aber wir verließen schon nach der Suppe das Gebiet der alten Anekdoten und gingen zu ernsteren und fesselnderen Dingen über. In der Musik konnte ich ihr nicht Widerpart halten, denn wir bedau {316} ernswerten Buddenbrooks wissen allzu wenig davon; aber in der niederländischen Malerei war ich schon besser zu Hause, und in der Litteratur verstanden wir uns durchaus.
    Wahrlich, die Zeit verging im Fluge. Nach Tische ließ ich mich dem alten Herrn Arnoldsen präsentieren, der mir mit ausgesuchter Verbindlichkeit entgegenkam. Später, im Salon, trug er mehrere Konzert-Piècen vor, und auch Gerda produzierte sich. Sie sah prachtvoll dabei aus, und obgleich ich keine Ahnung vom Violinspiel habe, so weiß ich, daß sie auf ihrem Instrument (einer echten Stradivari) zu singen verstand, daß einem beinahe die Thränen in die Augen traten.
    Am folgenden Tage machte ich Besuch bei Arnoldsens, Prins Hendrik-Kade. Ich wurde zunächst von einer alten Gesellschaftsdame empfangen, mit der ich mich französisch unterhalten mußte; dann aber kam Gerda hinzu, und wir plauderten, wie tagszuvor wohl eine Stunde lang: nur daß wir uns dies Mal noch mehr einander näherten, uns noch mehr bestrebten, einander zu verstehen und kennen zu lernen. Es war wieder von Dir, Mama, von Tony, von unserer guten, alten Stadt und meiner Thätigkeit daselbst die Rede …
    Schon an diesem Tage stand mein Entschluß fest, welcher lautete: Diese oder Keine, jetzt oder niemals! Ich traf mit ihr noch gelegentlich eines Gartenfestes bei meinem Freunde Van Svindren zusammen, ich ward zu einer kleinen musikalischen Soirée bei Arnoldsens selbst gebeten, in deren Verlauf ich der jungen Dame gegenüber das Experiment einer halben und sondierenden Erklärung machte, die ermutigend beantwortet wurde … und nun ist es fünf Tage her, daß ich mich vormittags zu Herrn Arnoldsen begab, um mir die Erlaubnis zu erbitten, um die Hand seiner Tochter zu werben. Er empfing mich in seinem Privatcomptoir. »Mein lieber Konsul«, sagte er, »Sie sind mir aufs Höchste willkommen, so schwer es mir altem Witwer fallen würde, mich von meiner Tochter zu trennen! Aber sie? {317} Sie hat bislang ihren Entschluß, niemals zu heiraten, mit Festigkeit aufrecht erhalten. Haben Sie denn Chancen?« Und er war äußerst erstaunt, als ich ihm erwiderte, daß Fräulein Gerda mir in der That Veranlassung zu einiger Hoffnung gegeben habe.
    Er hat ihr einige Tage Zeit zum Besinnen gelassen, und ich glaube, er hat ihr aus argem Egoismus sogar abgeraten. Aber es hilft nichts: ich bin der Auserwählte, und seit gestern Nachmittag ist die Verlobung perfekt.
    Nein, meine liebe Mama, ich bitte Dich jetzt nicht um Deinen schriftlichen Segen zu dieser Verbindung, denn schon übermorgen reise ich ab; aber ich nehme das Versprechen der Arnoldsens mit, daß sie uns, der Vater, Gerda und auch ihre verheiratete Schwester, im August besuchen werden, und dann wirst Du nicht umhin können, zuzugestehen, daß dies die Rechte für mich ist. Denn es liegt für Dich doch kein Einwand darin, daß Gerda nur drei Jahr jünger ist, als ich? Du wirst wohl niemals angenommen haben, hoffe ich, daß ich irgend einen Backfisch aus dem Kreise Möllendorpf-Langhals-Kistenmaker-Hagenström heimführen würde.
    Und was die »Partie« betrifft? … Ach, ich ängstige mich beinahe davor, daß Stephan Kistenmaker und Hermann Hagenström und Peter Döhlmann und Onkel Justus und die ganze Stadt mich pfiffig anblinzeln wird, wenn man von der Partie erfährt; denn mein zukünftiger Schwiegervater ist Millionär … Mein Gott, was läßt sich darüber sagen? Es giebt so viel Halbes in

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