Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Buddenbrooks

Buddenbrooks

Titel: Buddenbrooks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
Vom Netzwerk:
einen Mischausdruck von Ergrimmtheit und biederer, unbeholfener, rührender Gutmütigkeit. Unterhalb des kleinen Kinnes lief eine steile Linie in die schmale, weiße Halsbinde hinein … die Linie eines kropfartigen Halses, der keine Vatermörder geduldet haben würde. Untergesicht und Hals, Hinterkopf und Nacken, Wangen und Nase, Alles ging ein wenig {357} formlos und gepolstert in einander über … Die ganze Gesichtshaut war infolge aller dieser Schwellungen über die Gebühr straff gespannt und zeigte an einzelnen Stellen, wie am Ansatz der Ohrläppchen und zu beiden Seiten der Nase eine spröde Rötung … In der einen seiner kurzen, weißen und fetten Hände hielt der Herr seinen Stock, in der anderen ein grünes Tyrolerhütchen, geschmückt mit einem Gemsbart.
    Die Konsulin hatte die Brille abgenommen und stützte sich noch immer in halb stehender Haltung auf das Sofapolster.
    »Wie kann ich Ihnen dienen«, sagte sie höflich aber bestimmt.
    Da legte der Herr mit einer entschlossenen Bewegung Hut und Stock auf den Deckel des Harmoniums, rieb sich dann befriedigt die frei gewordenen Hände, blickte die Konsulin treuherzig aus seinen hellen, verquollenen Äuglein an und sagte:
    »I bitt' die gnädige Frau um Verzeihung von wegen dem Kartl; i hob kei onderes zur Hond k'habt. Mei Name ist Permaneder; Alois Permaneder aus München. Vielleicht hat die gnädige Frau schon von der Frau Tochter meinen Namen k'hert –«
    Dies Alles sagte er laut und mit ziemlich grober Betonung, in seinem knorrigen Dialekt voller plötzlicher Zusammenziehungen, aber mit einem vertraulichen Blinzeln seiner Augenritzen, welches andeutete: »Wir verstehen uns schon …«
    Die Konsulin hatte sich nun völlig erhoben und trat mit seitwärts geneigtem Kopfe und ausgestreckten Händen auf ihn zu …
    »Herr Permaneder! Sie sind es? Gewiß hat meine Tochter uns von Ihnen erzählt. Ich weiß, wie sehr Sie dazu beigetragen haben, ihr den Aufenthalt in München angenehm und unterhaltend zu machen … Und Sie sind in unsere Stadt verschlagen worden?«
    {358} »Geltn's, da schaun's!« sagte Herr Permaneder, indem er sich bei der Konsulin in einem Lehnsessel niederließ, auf den sie mit vornehmer Bewegung gedeutet hatte, und begann, mit beiden Händen behaglich seine kurzen und runden Oberschenkel zu reiben …
    »Wie beliebt?« fragte die Konsulin …
    »Geltn's, da spitzen's!« antwortete Herr Permaneder, indem er aufhörte, seine Kniee zu reiben.
    »Nett!« sagte die Konsulin verständnislos und lehnte sich, die Hände im Schoß, mit erheuchelter Befriedigung zurück. Aber Herr Permaneder merkte das; er beugte sich vor, beschrieb, Gott weiß, warum, mit der Hand Kreise in der Luft und sagte mit großer Kraftanstrengung:
    »Da thun sich die gnädige Frau halt … wundern!«
    »Ja, ja, mein lieber Herr Permaneder, das ist wahr!« erwiderte die Konsulin freudig, und nachdem dies erledigt war, trat eine Pause ein. Um aber diese Pause auszufüllen, sagte Herr Permaneder mit einem ächzenden Seufzer:
    »Es is halt a Kreiz!«
    »Hm … wie beliebt?« fragte die Konsulin, indem sie ihre hellen Augen ein wenig beiseite gleiten ließ …
    »A Kreiz is'!« wiederholte Herr Permaneder außerordentlich laut und grob.
    »Nett«, sagte die Konsulin begütigend; und somit war auch dieser Punkt abgethan.
    »Darf man fragen«, fuhr sie fort, »was Sie so weit hergeführt hat, lieber Herr? Es ist eine tüchtige Reise von München …«
    »A G'schäfterl«, sagte Herr Permaneder, indem er seine kurze Hand in der Luft hin und her drehte, »a kloans G'schäfterl, gnädige Frau, mit der Brauerei zur Walkmühle!«
    »Oh, richtig, Sie sind Hopfenhändler, mein lieber Herr Permaneder! Noppe & Comp., nicht wahr? Seien Sie überzeugt, ich habe von meinem Sohne, dem Konsul, hie und da viel Vorteil {359} haftes über Ihre Firma gehört«, sagte die Konsulin höflich. Aber Herr Permaneder wehrte ab:
    »Is scho recht. Davon is koa Red'. Ah, naa, die Hauptsach' is halt, daß i allweil den Wunsch k'habt hob, der gnädigen Frau amol mei Aufwartung z' mochn und die Frau Grünlich wiederzusehn! Dös is Sach' gnua, um die Reis' net z' scheun!«
    »Ich danke Ihnen«, sagte die Konsulin herzlich, indem sie ihm nochmals die Hand reichte, deren Fläche sie ganz weit herumwandte. »Aber nun soll man meine Tochter benachrichtigen!« fügte sie hinzu, stand auf und schritt auf den gestickten Klingelzug zu, der neben der Glasthür hing.
    »Ja, Himmi Sakrament, werd' i a Freid'

Weitere Kostenlose Bücher