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Buddenbrooks

Buddenbrooks

Titel: Buddenbrooks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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ha'm!« rief Herr Permaneder und drehte sich mitsamt seinem Lehnsessel der Thür zu.
    Die Konsulin befahl dem Mädchen:
    »Bitte Madame Grünlich herunter, Liebe.«
    Dann kehrte sie zum Sofa zurück, worauf auch Herr Permaneder seinen Sessel wieder herumdrehte.
    »Werd' i a Freid' ha'm …« wiederholte er abwesend, indem er die Tapeten, das große Sèvres-Tintenfaß auf dem Sekretär und die Möbel betrachtete. Dann sagte er mehrere Male: »Is dös a Kreiz! … Es is halt a Kreiz! …« wobei er sich die Kniee rieb und ohne ersichtlichen Grund schwer seufzte. Dies füllte ungefähr die Zeit bis zu Frau Grünlichs Erscheinen aus.
    Sie hatte entschieden ein wenig Toilette gemacht, eine helle Taille angelegt, ihre Frisur geordnet. Ihr Gesicht war frischer und hübscher, denn je. Ihre Zungenspitze spielte verschmitzt in einem Mundwinkel …
    Kaum war sie eingetreten, als Herr Permaneder emporsprang und ihr mit einer ungeheuren Begeisterung entgegenkam. Alles an ihm geriet in Bewegung. Er ergriff ihre beiden Hände, schüttelte sie und rief:
    »Ja, die Frau Grünlich! Ja, grüß Eana Gott! Ja, wie hat's denn {360} derweil gegangen? was haben's denn allweil g'macht, da heroben? Jessas, hab' i a narrische Freid'! Denken's denn noch amol an d' Münchnerstadt und an unsre Berg'? O mei, ham wir a Gaudi k'habt, geltn's ja?! Kruzi Türken nei! und da san mer wieder! Jetzt wer hätt' denn des glaubt …!«
    Auch Tony ihrerseits begrüßte ihn mit großer Lebhaftigkeit, zog einen Stuhl herbei und begann, mit ihm von ihren Münchener Wochen zu plaudern … Die Unterhaltung floß nun ohne Hindernis dahin, und die Konsulin folgte ihr, indem sie Herrn Permaneder nachsichtig und ermunternd zunickte, diese oder jene seiner Redewendungen ins Schriftdeutsche übersetzte und sich dann jedes Mal, zufrieden, daß sie es verstanden, ins Sofa zurücklehnte.
    Herr Permaneder mußte auch Frau Antonien nochmals den Grund seines Hierseins erklären, aber er legte diesem »G'schäfterl« mit der Brauerei ersichtlich so wenig Bedeutung bei, daß es den Anschein gewann, als habe er eigentlich gar nichts in der Stadt zu suchen. Dagegen erkundigte er sich mit Interesse nach der zweiten Tochter sowie nach den Söhnen der Konsulin und bedauerte laut die Abwesenheit Claras und Christians, da er »allweil den Wunsch k'habt« habe, »die gonze Famili« kennen zu lernen …
    Über die Dauer seines Aufenthaltes in der Stadt äußerte er sich überaus unbestimmt; als aber die Konsulin bemerkte:
    »Ich erwarte in jedem Augenblick meinen Sohn zum Frühstück, Herr Permaneder; machen Sie uns das Vergnügen, ein Butterbrot mit uns zu essen …?« Da nahm er diese Einladung, noch ehe sie ausgesprochen war, mit einer Bereitwilligkeit an, als habe er darauf gewartet.
    Der Konsul kam. Er hatte das Frühstückszimmer leer gefunden und erschien im Comptoirrock, eilig, ein wenig abgespannt und überhäuft, um zu einem flüchtigen Imbiß zu mahnen … Aber kaum war er der fremden Erscheinung des Gastes {361} mit seinen ungeheuren Uhrgehängen und seiner Lodenjacke, sowie des Gemsbartes auf dem Harmonium gewahr geworden, als er aufmerksam den Kopf erhob, und kaum war der Name genannt worden, den er aus Frau Antoniens Munde oft genug gehört hatte, als er einen raschen Blick zu seiner Schwester hinüberwarf und Herrn Permaneder mit seiner gewinnendsten Liebenswürdigkeit begrüßte … Er nahm nicht erst Platz. Man ging sofort ins Zwischengeschoß hinunter, wo Mamsell Jungmann den Tisch gedeckt hatte und den Samowar summen ließ – einen echten Samowar, ein Geschenk des Pastors Tiburtius und seiner Gattin.
    »Ös thuats enk leicht!« sagte Herr Permaneder, als er sich niederließ und die Auswahl an kalter Küche auf dem Tische überblickte … Hie und da, in der Mehrzahl wenigstens, bediente er sich mit dem harmlosesten Gesichtsausdruck der zweiten Person bei der Anrede.
    »Es ist nicht gerade Hofbräu, Herr Permaneder, aber immerhin genießbarer, als unser einheimisches Gebräu.« Und der Konsul schenkte ihm von dem braun schäumenden Porter ein, den er selbst um diese Zeit zu trinken pflegte.
    »I donk scheen, Herr Nachbohr!« sagte Herr Permaneder kauend und merkte nichts von dem entsetzten Blick, den Mamsell Jungmann ihm zuwarf. Von dem Porter aber genoß er mit solcher Zurückhaltung, daß die Konsulin eine Bouteille Rotwein heraufkommen ließ, worauf er merklich munterer wurde und wieder mit Frau Grünlich zu plaudern begann. Er saß, des Bauches wegen,

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