Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Buddenbrooks

Buddenbrooks

Titel: Buddenbrooks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
Vom Netzwerk:
lachten … in der Erinnerung ohne Zweifel an all die Geschichten, die Christian ihnen erzählt hatte. Zum Schlusse befestigte Rechtsanwalt Doktor Gieseke unter allgemeinem Halloh einen großen Cotillonorden aus Goldpapier an Christians Paletot. Dieser Orden stammte aus einem Hause in der Nähe des Hafens, einem Gasthause, das abends eine rote Laterne über der Hausthür führte, einem Orte zwangloser Zusammenkunft, an dem es stets heiter herging … und war dem scheidenden Krischan Buddenbrook für hervorragende Verdienste verliehen worden.

4.
    Es klingelte am Windfang, und, ihrer neuen Gewohnheit gemäß, erschien Frau Grünlich auf dem Treppenabsatz, um über das weißlackierte Geländer hinweg auf die Diele hinabzulugen. Kaum aber war drunten geöffnet worden, als sie sich mit einem jähen Ruck noch weiter hinabbeugte, dann zurückprallte, dann mit der einen Hand ihr Taschentuch vor den Mund drückte, mit der anderen ihre Röcke zusammenfaßte und in etwas gebückter Haltung nach oben eilte … Auf der Treppe zur zweiten Etage begegnete ihr Mamsell Jungmann, der sie mit {355} ersterbender Stimme etwas zuflüsterte, worauf Ida vor freudigem Schreck etwas Polnisches antwortete, das klang wie:
    »Meiboschekochhanne!«
    - Zur selben Zeit saß die Konsulin Buddenbrook im Landschaftszimmer und häkelte mit zwei großen hölzernen Nadeln einen Shawl, eine Decke, oder etwas Ähnliches. Es war 11 Uhr vormittags.
    Plötzlich kam das Folgmädchen durch die Säulenhalle, pochte an die Glasthür und überbrachte der Konsulin watschelnden Schrittes eine Visitenkarte. Die Konsulin nahm die Karte, rückte ihre Brille zurecht, denn sie trug bei der Handarbeit eine Brille, und las. Dann blickte sie wieder zu dem roten Gesichte des Mädchens empor, las abermals und sah aufs Neue das Mädchen an. Schließlich sagte sie freundlich aber bestimmt:
    »Was soll dies, Liebe? Was bedeutet dies, du?«
    Auf der Karte stand gedruckt: »X. Noppe & Comp.« X. Noppe aber sowohl, wie das &-Zeichen waren mit einem Blaustift stark durchstrichen, so daß nur das »Comp.« übrig blieb.
    »Je, Fru Kunsel«, sagte das Mädchen, »doar wier 'n Herr, öäwer hei red' nich dütsch un is ook goar tau snaksch …«
    »Bitte den Herrn«, sagte die Konsulin, denn sie begriff nun, daß es die »Comp.« sei, die Einlaß begehrte. Das Mädchen ging. Gleich darauf öffnete es die Glasthür aufs Neue und ließ eine untersetzte Gestalt eintreten, die im schattigen Hintergrunde des Zimmers einen Augenblick stehen blieb und etwas Langgezogenes verlauten ließ, das klang wie:
    »Hab' die Ähre …«
    »Guten Morgen!« sagte die Konsulin. »Wollen Sie nicht näher treten?« Dabei stützte sie sich leicht mit der Hand auf das Sofapolster und erhob sich ein wenig, denn sie wußte noch nicht, ob es angezeigt sei, sich ganz zu erheben …
    »I bin so frei …« antwortete der Herr wiederum mit einer {356} gemütlich singenden und gedehnten Betonung, indem er, höflich gebückt, zwei Schritte vorwärts that, worauf er abermals stehen blieb und sich suchend umblickte: sei es nun nach einer Sitzgelegenheit oder nach einem Aufbewahrungsort für Hut und Stock, denn beides, auch den Stock, dessen klauenartig gebogene Hornkrücke gut und gern anderthalb Fuß maß, hatte er mit ins Zimmer gebracht.
    Es war ein Mann von vierzig Jahren. Kurzgliedrig und beleibt, trug er einen weit offen stehenden Rock aus braunem Loden, eine helle und geblümte Weste, die in weicher Wölbung seinen Bauch bedeckte, und auf der eine goldene Uhrkette mit einem wahren Bouquet, einer ganzen Sammlung von Anhängseln aus Horn, Knochen, Silber und Korallen prangte, – ein Beinkleid ferner von unbestimmter graugrüner Farbe, welches zu kurz war und aus ungewöhnlich steifem Stoff gearbeitet schien, denn seine Ränder umstanden unten kreisförmig und faltenlos die Schäfte der kurzen und breiten Stiefel. – Der hellblonde, spärliche, fransenartig den Mund überhängende Schnurrbart gab dem kugelrunden Kopfe mit seiner gedrungenen Nase und seinem ziemlich dünnen und unfrisierten Haar, etwas Seehundsartiges. Die »Fliege«, die der fremde Herr zwischen Kinn und Unterlippe trug, stand im Gegensatze zum Schnurrbart ein wenig borstig empor. Die Wangen waren außerordentlich dick, fett, aufgetrieben und gleichsam hinaufgeschoben zu den Augen, die sie zu zwei ganz schmalen, hellblauen Ritzen zusammenpreßten und in deren Winkeln sie Fältchen bildeten. Dies gab dem solcher Art verquollenen Gesicht

Weitere Kostenlose Bücher