Buddenbrooks
haben wir, Urgroßvater, Großvater, Vater und ich, wohl hie und da den Landleuten Vorschüsse gezahlt, wenn anders sie durch ihre Persönlichkeit und sonstigen Verhältnisse eine gewisse Sicherheit boten … Wie du selbst mir aber vor zwei Minuten Herrn von Maibooms Persönlichkeit und Verhältnisse charakterisiert hast, kann doch von solcher Sicherheit hier kaum die Rede sein …«
»Du bist im Irrtum, Tom. Ich habe dich ausreden lassen, aber du bist im Irrtum. Es kann sich hier nicht um irgend einen Vorschuß handeln. Maiboom braucht fünfunddreißigtausend Courantmark …«
»Donnerwetter!«
»Fünfunddreißigtausend Courantmark, die binnen knapper zwei Wochen fällig sind. Das Messer steht ihm an der Kehle, und, um deutlich zu sein: er muß zusehen, schon jetzt, sofort, zu verkaufen.«
{499} »Auf dem Halm? Oh, o der arme Kerl!« Und der Senator, der mit dem Pincenez auf der Tischdecke spielte, schüttelte den Kopf. »Aber das scheint mir für unsere Verhältnisse ein ziemlich ungewöhnlicher Fall zu sein«, sagte er. »Ich habe von solchen Geschäften hauptsächlich aus Hessen gehört, wo ein nicht kleiner Teil der Landleute in den Händen von Juden ist … Wer weiß, in das Netz welches Halsabschneiders der arme Herr von Maiboom gerät …«
»Juden? Halsabschneider?« rief Frau Permaneder überaus verwundert … »Aber es ist von
dir
die Rede, Tom, von
dir
!«
Plötzlich warf Thomas Buddenbrook das Pincenez vor sich hin auf den Tisch, so daß es ein Stück auf der Zeitung entlang glitt, und wandte mit einem Ruck den ganzen Oberkörper seiner Schwester zu.
»Von – mir?« fragte er mit den Lippen, ohne einen Ton von sich zu geben; und dann setzte er laut hinzu: »Geh schlafen, Tony! Du bist ja übermüde.«
»Ja, Tom, so sagte Ida Jungmann abends zu uns, wenn wir grade anfingen, vergnügt zu werden. Aber ich versichere dich, daß ich niemals wacher und munterer gewesen bin, als jetzt, wo ich bei Nacht und Nebel zu dir komme, um dir Armgards – also, indirekt, Ralf von Maibooms Vorschlag zu machen …«
»Nun, ich halte diesen Vorschlag deiner Naivetät und der Ratlosigkeit der Maibooms zu Gute.«
»Ratlosigkeit? Naivetät? Ich verstehe dich nicht, Thomas, ich bin leider weit entfernt davon! Dir wird Gelegenheit geboten, eine gute That zu thun und gleichzeitig das beste Geschäft deines Lebens zu machen …«
»Ach was, meine Liebe, du redest lauter Unsinn!« rief der Senator und warf sich sehr ungeduldig zurück. »Verzeih, aber du kannst einen mit deiner Unschuld in Harnisch jagen! Du begreifst also nicht, daß du mir hier zu etwas höchst Unwürdigem, zu unreinlichen Manipulationen rätst? Ich soll im Trü {500} ben fischen? Einen Menschen brutal ausbeuten? Die Bedrängnis dieses Gutsbesitzers benützen, um den Wehrlosen übers Ohr zu hauen? Ihn zwingen, mir die Ernte eines Jahres gegen den halben Preis abzutreten, damit ich einen Wucherprofit einstreichen kann?«
»Ach,
so
siehst du die Sache an«, sagte Frau Permaneder eingeschüchtert und nachdenklich. Und wieder lebhaft fuhr sie fort: »Aber es ist nicht nötig, durchaus nicht nötig, Tom, es von dieser Seite zu nehmen! Ihn zwingen? Aber er kommt ja zu dir. Er benötigt das Geld, und er möchte die Sache auf dem Wege der Freundschaft erledigen; unter der Hand, in aller Stille. Darum hat er die Verbindung mit uns aufgespürt, und darum bin ich eingeladen worden!«
»Kurz, er täuscht sich über mich und den Charakter meiner Firma. Ich habe meine Überlieferungen. Ein solches Geschäft ist von uns in hundert Jahren nicht gemacht worden, und ich bin nicht gesonnen, mit derartigen Manövern den Anfang zu machen.«
»Gewiß, du hast deine Überlieferungen, Tom; und jederlei Achtung davor! Sicherlich, Vater hätte sich hierauf nicht eingelassen; bewahre; wer behauptet das? … Aber so dumm ich bin, das weiß ich, daß du ein ganz anderer Mensch bist, als Vater, und daß, als du die Geschäfte übernahmst, du einen ganz anderen Wind wehen ließest, als er, und daß du unterdessen manches gethan hast, was er nicht gethan haben würde. Dafür bist du jung und ein unternehmender Kopf. Aber ich fürchte immer, du hast dich in letzter Zeit durch ein und das andere Mißgeschick einschüchtern lassen … und wenn du jetzt nicht mehr mit so gutem Erfolge arbeitest, wie früher, so liegt das daran, daß du dir aus lauter Vorsicht und ängstlicher Gewissenhaftigkeit die Gelegenheit zu guten coups entschlüpfen läßt …«
»Ach, ich bitte
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