Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Buddenbrooks

Buddenbrooks

Titel: Buddenbrooks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
Vom Netzwerk:
in meiner Geschichte einer dieser Herren einen Denkzettel erhält … Du weißt, unter ihnen ist Dieser und Jener, der den Kaufleuten, obgleich sie ihm doch so nötig sind, wie er ihnen, nicht allzu viel Hochachtung entgegenbringt, die – bis zu einem gewissen Grade anzuerkennende – Überlegenheit des Produzenten über den Zwischenhändler im geschäftlichen Verkehre allzu sehr betont und, kurz, den Kaufmann mit nicht sehr anderen Augen ansieht, als den hausierenden Juden, dem man, mit dem Bewußtsein, übervorteilt zu werden, getragene Kleider überläßt. Ich schmeichle mir, im Allgemeinen den Eindruck eines moralisch minderwertigen Ausbeuters auf die Herren nicht gemacht zu haben, und habe unter ihnen weit zähere Händler angetroffen, als ich bin. Bei Einem aber bedurfte es erst des folgenden kleinen Gewaltstreichs, um mich ihm gesellschaftlich ein wenig näher zu bringen … Es war der Herr von Groß-Poggendorf, von dem du gewiß gehört hast, und mit dem ich vor Jahr und Tag vielfach zu thun hatte: Graf Strelitz, ein höchst feudaler Mann mit einem viereckigen Glas im Auge … ich begriff niemals, daß er sich nicht schnitt … lackierten Stulpstiefeln und einer Reitpeitsche mit goldenem Griff. Er hatte die Gewohnheit, mit halb geöffnetem Munde und halb geschlossenen Augen von einer unbegreiflichen Höhe auf mich herabzublicken … Mein erster {504} Besuch bei ihm war bedeutsam. Nach einer einleitenden Korrespondenz fuhr ich zu ihm und trat, vom Bedienten gemeldet, ins Arbeitszimmer. Graf Strelitz saß am Schreibtisch. Er erwidert meine Verbeugung, indem er sich halbwegs vom Sessel erhebt, schreibt die letzte Zeile eines Briefes, wendet sich dann zu mir, indem er über mich hinwegsieht, und beginnt die Unterhandlungen über seine Ware. Ich lehne am Sofatische, kreuze Arme und Beine und bin amüsiert. Ich stehe fünf Minuten lang im Gespräche. Nach weiteren fünf Minuten setze ich mich auf den Tisch und lasse ein Bein in der Luft schaukeln. Unsere Verhandlungen nehmen ihren Fortgang, und nach Verlauf einer Viertelstunde sagt er mit einer wirklich gnädigen Handbewegung leichthin: ›Wollen Sie nicht übrigens einen Stuhl nehmen?‹ – ›Wie?‹ sagte ich … ›Oh, nicht nötig! Ich sitze längst.‹«
    »Sagtest du? Sagtest du es?« rief Frau Permaneder entzückt … Sofort hatte sie alles Vorhergehende beinahe vergessen und lebte vollständig in dieser Anekdote. »Du saßest längst! Es ist ausgezeichnet! …«
    »Nun ja; und ich versichere dich, daß der Graf von diesem Augenblick an sein Benehmen durchaus änderte, daß er mir die Hand reichte, wenn ich kam, mich zum Sitzen nötigte … und daß wir in der Folge geradezu befreundet geworden sind. Warum aber erzähle ich dir das? Um dich zu fragen: Würde ich wohl das Herz, das Recht, die innere Sicherheit haben, auch Herrn von Maiboom in dieser Weise zu belehren, wenn er, mit mir über den Pauschalpreis für seine Ernte verhandelnd, vergessen sollte, mir – einen Stuhl anzubieten …?«
    Frau Permaneder schwieg. »Gut«, sagte sie dann und stand auf. »Du sollst recht haben, Tom, und wie ich schon sagte, ich will nicht in dich dringen. Du mußt wissen, was du zu thun und was du zu lassen hast, und damit Punktum. Wenn du mir nur glaubst, daß ich in guter Absicht gesprochen habe … Ab {505} gemacht! Gute Nacht, Tom! … Oder nein, warte. Ich muß zuvor deinem Hanno einen Kuß geben und die gute Ida begrüßen … Ich gucke dann hier noch einmal herein …«
    Und damit ging sie.

3.
    Sie stieg die Treppe zur zweiten Etage hinan, ließ den »Altan« zur Rechten liegen, ging an dem weißgoldenen Geländer der Galerie entlang und durchschritt ein Vorzimmer, dessen Thür zum Korridor offen stand und von dem ein zweiter Ausgang linkerseits in das Ankleidezimmer des Senators führte. Dann drückte sie vorsichtig auf den Griff der geradeaus gelegenen Thür und trat ein.
    Es war eine außerordentlich geräumige Stube, deren Fenster mit faltigen, großgeblümten Vorhängen verhüllt waren. Die Wände waren ein wenig kahl. Abgesehen von einem sehr großen schwarzgerahmten Stich, der über Fräulein Jungmanns Bett hing und Giacomo Meyerbeer, umgeben von den Gestalten seiner Opern, darstellte, gab es nur noch eine Anzahl von englischen Buntdrucken, die Kinder mit gelbem Haar und roten Babykleidern darstellten und mit Stecknadeln an der hellen Tapete befestigt waren. Ida Jungmann saß in der Mitte des Zimmers an dem großen Ausziehtisch und

Weitere Kostenlose Bücher