Buddenbrooks
Buddenbrooks dritte Ehe.
Ja, diese Bezeichnung war zutreffend, und der Senator selbst hatte eines Donnerstags, als Weinschenks nicht zugegen waren, die Sache bei diesem Namen genannt, was Frau Permaneder sich mit Behagen hatte gefallen lassen. In der That, alle Sorgen des Hausstandes fielen auf sie, aber auch Freude und Stolz nahm sie für sich in Anspruch, und eines Tages, als sie unversehens mit der Konsulin Julchen Möllendorpf geb. Hagenström auf der Straße zusammentraf, blickte sie ihr mit einem so triumphierenden und herausfordernden Ausdruck ins Gesicht, daß Frau Möllendorpf sich dazu verstand, zuerst zu grüßen … Stolz und Freude wurden in ihrer Miene und Haltung zur ernsten Feierlichkeit, wenn sie die Verwandten, die kamen, das neue Heim zu besichtigen, darin umherführte, während Erika Weinschenk selbst fast ebenfalls wie ein bewundernder Gast dabei erschien.
Die Schleppe ihres Schlafrockes hinter sich herziehend, die Schultern ein wenig emporgezogen, den Kopf zurückgelehnt und am Arme den mit Atlasschleifen besetzten Schlüsselkorb – sie schwärmte für Atlasschleifen – zeigte Frau Antonie den Besuchern die Möbel, die Portieren, das durchsichtige Porzellan, das blitzende Silberzeug, die großen Ölgemälde, die der Direktor angeschafft hatte: lauter Stilleben von Eßwaren und unbekleidete Frauengestalten, denn dies war Hugo Weinschenks Geschmack – und ihre Bewegungen schienen zu sagen: Seht, dahin habe ich es noch einmal gebracht im Leben. Es ist fast so vornehm wie bei Grünlich und sicherlich vornehmer, als bei Permaneder!
{492} Die alte Konsulin kam, in grau und schwarz gestreifter Seide, einen diskreten Patschuliduft um sich verbreitend, ließ ihre hellen Augen geruhig über alles hingleiten und legte, ohne laute Bewunderung zu äußern, eine anerkennende Befriedigung an den Tag. Der Senator kam mit Frau und Kind, amüsierte sich mit Gerda über Tonys glückselige Überheblichkeit und verhinderte mit Mühe, daß sie ihren angebeteten, kleinen Hanno mit Korinthenbrot und Portwein erstickte … Es kamen die Damen Buddenbrook, welche einstimmig bemerkten, alles sei so schön, daß sie ihrerseits, bescheidene Mädchen wie sie seien, nicht darin wohnen möchten … Die arme Klothhilde kam, grau, geduldig und hager, ließ sich auslachen und trank vier Tassen Kaffee, worauf sie auch alles übrige in gedehnten und freundlichen Worten belobte … Dann und wann, wenn im »Klub« niemand anwesend gewesen war, erschien auch Christian, nahm ein Gläschen Benediktiner, erzählte, daß er jetzt willens sei, die Agentur für eine Champagner- und Cognacfirma zu übernehmen – darauf verstehe er sich, und es sei eine leichte, angenehme Arbeit, man sei sein eigner Herr, schreibe sich hie und da ein bißchen in sein Notizbuch und habe im Handumdrehen dreißig Thaler verdient – lieh sich hierauf vierzig Schillinge von Frau Permaneder, um der ersten Liebhaberin vom Stadttheater ein Bouquet überreichen zu können, kam, Gott weiß, infolge welcher Ideenverbindung auf »Maria« und das »Laster« in London zu sprechen, verfiel in die Geschichte des räudigen Hundes, der in einer Schachtel von Valparaiso nach San Franzisko gereist war, und erzählte nun, da er im Zuge war, mit einer solchen Fülle, Schwunghaftigkeit und Komik, daß er einen Saal voll Menschen hätte unterhalten können.
Er geriet in Begeisterung, er redete in Zungen. Er sprach englisch, spanisch, plattdeutsch und hamburgisch, er schilderte chilenische Messerabenteuer und Diebsaffären aus Whitechapel, verfiel darauf, einen Blick in seinen Vorrat von {493} Couplets thun zu lassen und sang oder sprach mit mustergültigem Mienenspiel und einem pittoresken Talent in den Handbewegungen:
»Ick güng so ganz pomad'
So up de Esplanad',
Da güng so'n lüttje Deern
So vor mir up;
Die hatt' so'n feinen Pli
Mi so'n französ'schen cu
Und 'n groten Deller achter up'm Kopp …
Ick seg: ›Mein liebes Kind,
Weil Sie so nüdlich sind,
Erlauben Sie mir Ihren Arm vielleicht?‹
Sie dreit sik um so recht
Und – kiekt – mi an – und segt: – –
›Ga man na Hus, min Jung, und si vergneugt!‹«
Und kaum war er hiermit fertig, als er zu Berichten aus dem Cirkus Renz überging und die ganze Entree eines englischen Sprech-Clowns in einer Art wiederzugeben begann, daß man sich einbilden konnte, vor der Manege zu sitzen. Man vernahm das übliche Geschrei schon hinter der Gardine, das »Machen Sie mich die Thüre auf!«, die
Weitere Kostenlose Bücher