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Buddenbrooks

Buddenbrooks

Titel: Buddenbrooks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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Streitigkeiten mit dem Stallmeister und dann, in breitem und jammerndem Englisch-Deutsch eine Reihe von Erzählungen. Es war die Geschichte von dem Manne, der im Schlafe eine Maus verschluckt und sich deshalb zum Tierarzt begiebt, welcher ihm seinerseits rät, nunmehr auch eine Katze zu verschlucken … Die Geschichte von »Meiner Großmutter, frisch und gesund wie die Frau war«, in welcher eben dieser Großmutter auf dem Wege zum Bahnhofe tausend Abenteuer begegnen und ihr schließlich, frisch und gesund wie die Frau war, der Zug vor der Nase davonfährt … worauf Christian die Pointe mit einem triumphierenden »Musik, Herr Ka {494} pellmeister!« abbrach und selbst, wie erwachend, ganz erstaunt schien, daß die Musik nicht einsetzte …
    Und dann, ganz plötzlich, verstummte er, veränderte sich sein Gesicht, erschlafften seine Bewegungen. Seine kleinen, runden, tiefliegenden Augen begannen, mit unruhigem Ernst nach allen Richtungen zu wandern, er strich mit der Hand an seiner linken Seite hinunter, es war, als horche er in sein Inneres hinein, woselbst Seltsames geschah … Er trank noch ein Gläschen Likör, ward noch einmal ein wenig aufgeräumter, versuchte noch eine Geschichte zu erzählen und brach dann in ziemlich deprimierter Stimmung auf.
    Frau Permaneder, die in dieser Zeit ausnehmend lachlustig war und sich köstlich amüsiert hatte, begleitete ihren Bruder in ausgelassener Laune zur Treppe. »Adieu, Herr Agent!« sagte sie. »Minnesänger! Mädchenfänger! Altes Schaf! Komm bald mal wieder!« Und sie lachte aus vollem Halse hinter ihm drein und kehrte in ihre Wohnung zurück.
    Aber Christian Buddenbrook focht das nicht an; er überhörte es, denn er war in Gedanken. Na, dachte er, nun will ich mal ein bißchen nach Quisisana gehen. Und den Hut etwas schief auf dem Kopf, gestützt auf seinen Stock mit der Nonnenbüste, langsam, steif und ein wenig lahmend ging er die Treppe hinab.

2.
    Es war im Frühling des Jahres achtundsechzig, als Frau Permaneder eines Abends gegen zehn Uhr sich in der ersten Etage des Fischergrubenhauses einstellte. Senator Buddenbrook saß allein im Wohnzimmer, das mit olivenfarbenen Ripsmöbeln ausgestattet war, an dem runden Mitteltische im Lichte der großen Gaslampe, die vom Plafond herabhing. Er hatte die Berliner Börsenzeitung vor sich ausgebreitet und las, leicht über den Tisch gebeugt, seine Cigarette zwischen Zeige- und {495} Mittelfinger der Linken und auf der Nase ein goldenes Pincenez, dessen er sich seit einiger Zeit bei der Arbeit bedienen mußte. Er hörte die Schritte seiner Schwester durch das Eßzimmer kommen, nahm das Glas von den Augen und blickte gespannt in das Dunkel hinein, bis Tony zwischen den Portieren und im Lichtbereich auftauchte.
    »O, du bist es. Guten Abend. Schon zurück von Pöppenrade? Wie geht es deinen Freunden?«
    »Guten Abend, Tom! Danke, Armgard ist wohlauf … Du bist hier ganz einsam?«
    »Ja, du kommst mir sehr erwünscht. Ich habe heute Abend so allein essen müssen, wie der Papst; denn Fräulein Jungmann kommt als Gesellschaft nicht recht in Betracht, weil sie jeden Augenblick aufspringt und hinauf läuft, um nach Hanno zu sehen … Gerda ist im Kasino. Tamayo geigt dort. Christian hat sie abgeholt …«
    »Dausend! um wie Mutter zu reden. – Ja, ich habe in letzter Zeit bemerkt, Tom, daß Gerda und Christian sich gut vertragen.«
    »Ich auch. Seit er dauernd hier ist, fängt sie an, Geschmack an ihm zu gewinnen. Sie hört auch ganz aufmerksam zu, wenn er seine Leiden beschreibt … Mein Gott, er amüsiert sie. Neulich sagte sie zu mir: ›Er ist kein Bürger, Thomas! Er ist noch weniger ein Bürger, als du!‹ …«
    »Bürger … Bürger, Tom?! Ha, mir scheint, daß es auf Gottes weiter Welt keinen besseren Bürger, als du …«
    »Nun ja; nicht grade so zu verstehen! … Leg' ein bißchen ab, mein Kind. Dein Aussehen ist süperb. Die Landluft hat dir gut gethan?«
    »Vortrefflich!« sagte sie, indem sie ihre Mantille und den Capothut mit lilaseidnen Bändern beiseite legte und sich in majestätischer Haltung auf einem der Fauteuils am Tische niederließ … »Magen und Nachtruhe, alles hat sich gebessert in {496} dieser kurzen Zeit. Diese kuhwarme Milch und diese Würste und Schinken … man gedeiht, wie das Vieh und das Korn. Und dieser frische Honig, Tom, ich habe ihn immer für eines der besten Nahrungsmittel gehalten. Das ist reines Naturprodukt! Da weiß man doch, was man verschluckt! Ja, es war wahrhaftig

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