Buddenbrooks
liebenswürdig von Armgard, daß sie sich unserer alten Pensionsfreundschaft erinnerte und mich einlud. Und Herr von Maiboom war gleichfalls von einer Zuvorkommenheit … Sie baten mich so inständig, doch noch ein paar Wochen zu bleiben, aber du weißt: Erika behilft sich nur schwer ohne mich, und besonders jetzt, da die kleine Elisabeth auf der Welt ist …«
»A propos, wie geht es dem Kinde?«
»Danke, Tom, es macht sich; es ist gottlob recht gut bei Chic für seine vier Monate, obgleich Friederike, Henriette und Pfiffi es nicht für lebensfähig hielten …«
»Und Weinschenk? Wie fühlt er sich als Vater? Ich sehe ihn ja eigentlich nur Donnerstags …«
»O, der ist unverändert! Siehst du: er ist ein so braver und fleißiger Mann, und in gewisser Weise ja auch das Muster eines Ehegatten, denn er verachtet die Wirtshäuser, kommt vom Bureau graden Weges nach Hause und verbringt seine Freistunden bei uns. Aber nun ist die Sache die, Tom, – unter uns können wir ja offen darüber reden –: Er verlangt von Erika, daß sie beständig heiter ist, beständig spricht und scherzt, denn wenn er abgearbeitet und verstimmt nach Hause kommt, sagt er, dann will er, daß seine Frau ihn in leichter und fröhlicher Weise unterhält, ihn amüsiert und aufheitert; dazu, sagt er, sei die Frau auf der Welt …«
»Dummkopf!« murmelte der Senator.
»Wie? … Nun, das Schlimme ist, daß Erika ein wenig zur Melancholie neigt, Tom, sie muß es von mir haben. Sie ist hie und da ernst und schweigsam und gedankenvoll, und dann schilt er sie und braust auf, in Worten, die, ehrlich gesagt, nicht {497} immer ganz zartfühlend sind. Man merkt es eben allzu häufig, daß er eigentlich kein Mann von Familie ist und das, was man eine vornehme Erziehung nennt, leider nicht genossen hat. Ja, ich gestehe dir offen: noch ein paar Tage vor meiner Abreise nach Pöppenrade ist es vorgekommen, daß er den Deckel der Suppenterrine am Boden zerschlagen hat, weil die Suppe versalzen war …«
»Allerliebst!«
»Nein, im Gegenteil. Aber wir wollen ihn deshalb nicht verurteilen. Mein Gott, wir sind alle mit Mängeln behaftet, und ein so tüchtiger, gediegener und arbeitsamer Mann … behüte … Nein, Tom, eine rauhe Außenseite und ein guter Kern, das ist noch nicht das Schlimmste im irdischen Leben. Ich komme soeben aus Verhältnissen, will ich dir sagen, die trauriger sind. Armgard hat, wenn sie mit mir allein war, bitterlich geweint …«
»Was du sagst! – Herr von Maiboom? …«
»Ja, Tom; und darauf wollte ich hinaus. Wir sitzen hier und plaudern, aber in Wirklichkeit bin ich heute Abend in einer sehr ernsten und wichtigen Angelegenheit gekommen.«
»Nun? Was ist es denn mit Herrn von Maiboom?«
»Ralf von Maiboom ist ein liebenswürdiger Mann, Thomas, aber er ist ein Junker Leichtfuß, ein Daus. Er spielt in Rostock, er spielt in Warnemünde, und seine Schulden sind wie Sand am Meer. Man sollte es nicht glauben, wenn man ein paar Wochen auf Pöppenrade lebt! Das Herrenhaus ist vornehm, und alles ringsumher gedeiht, und an Milch und Wurst und Schinken ist kein Mangel. Man hat auf so einem Gute manchmal gar keinen Maßstab für die thatsächlichen Verhältnisse … Kurz, sie sind in Wahrheit aufs jämmerlichste zerrüttet, Tom, was Armgard mir unter herzbrechendem Schluchzen gestanden hat.«
»Traurig, traurig.«
»Das sage du nur noch einmal. Aber die Sache ist nun diese, {498} daß, wie sich mir herausgestellt hat, die Leute mich nicht aus ganz uneigennützigem Antriebe zu sich eingeladen haben.«
»Wieso?«
»Das will ich dir sagen, Tom. Herr von Maiboom braucht Geld, er braucht sofort eine größere Summe, und da er die alte Freundschaft kannte, die zwischen seiner Frau und mir besteht, und wußte, daß ich deine Schwester bin, so hat er in seiner Bedrängnis sich hinter seine Frau gesteckt, die ihrerseits sich hinter mich gesteckt hat … verstehst du?«
Der Senator bewegte die Fingerspitzen seiner Rechten auf seinem Scheitel hin und her und verzog ein wenig das Gesicht.
»Ich glaube, ja«, sagte er. »Deine ernste und wichtige Angelegenheit scheint mir auf einen Vorschuß auf die Pöppenrader Ernte hinauszulaufen, wenn ich nicht irre? Aber da habt ihr euch, du und deine Freunde, nicht an den richtigen Mann gewandt, wie mich dünkt. Erstens nämlich habe ich noch niemals ein Geschäft mit Herrn von Maiboom gemacht, und dies wäre denn doch wohl eine ziemlich sonderbare Anknüpfung von Beziehungen. Zweitens
Weitere Kostenlose Bücher