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Buddenbrooks

Buddenbrooks

Titel: Buddenbrooks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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über dem Mitteltische. Er blieb stehen, drehte langsam und krampfhaft an der langen Spitze seines Schnurrbartes und blickte, ohne etwas zu sehen, in diesem luxuriösen Gemache umher. Es nahm zusammen mit dem Wohnzimmer die ganze Frontbreite des Hauses ein, war mit hellen, geschweiften Möbeln ausgestattet und trug, mit seinem großen Konzertflügel, auf dem Gerdas Geigenkasten stand, seiner mit Notenbüchern beladenen Etagère daneben, dem geschnitzten Stehpult und den Basreliefs von musizierenden Amoretten über den Thüren, den Charakter eines Musikzimmers. Der Erker war mit Palmen angefüllt.
    {518} Senator Buddenbrook stand zwei oder drei Minuten, ohne sich zu bewegen. Dann raffte er sich auf, ging ins Wohnzimmer zurück, trat ins Speisezimmer und erleuchtete auch dies. Er machte sich am Büffet zu schaffen, trank, um sein Herz zu beruhigen, oder um überhaupt etwas zu thun, ein Glas Wasser und ging dann rasch, die Hände auf dem Rücken, weiter in die Tiefe des Hauses hinein. Das »Rauchzimmer« war dunkel möbliert und mit Holz getäfelt. Er öffnete mechanisch den Cigarrenschrank, verschloß ihn sofort wieder und erhob, am Spieltische, den Deckel einer kleinen eichenen Truhe, die Kartenspiele, Notizblocks und ähnliche Dinge enthielt. Er ließ eine Anzahl knöcherner Anlege-Marken klappernd durch seine Hand gleiten, warf den Deckel zu und wandte sich abermals zum Gehen.
    Ein kleines Kabinett mit einem buntfarbigen Fensterchen grenzte an das Rauchzimmer. Es war leer bis auf einige ganz leichte »Servanten«, die in einander geschoben waren, und auf denen ein Liqueurkasten stand. Von hier aus aber betrat man den Saal, welcher, mit seiner ungeheuren Parkettfläche und seinen vier hohen, weinrot verhangenen Fenstern, die auf den Garten hinausblickten, wiederum die ganze Breite des Hauses in Anspruch nahm. Er war ausgestattet mit einem Paar schwerer, niedriger Sofas von dem Rot der Portièren, und einer Anzahl von Stühlen, die hochlehnig und ernst an den Wänden standen. Ein Kamin war dort, hinter dessen Gitter falsche Kohlen lagen und mit ihren Streifen von rotgoldenem Glanzpapier zu glühen schienen. Auf der Marmorplatte, vor dem Spiegel, ragten zwei mächtige chinesische Vasen …
    Nun lag die ganze Zimmerflucht im Lichte einzelner Gasflammen, wie nach einem Feste, wenn der letzte Gast soeben davongefahren. Der Senator durchmaß den Saal einmal der Länge nach, blieb dann an dem Fenster stehen, das dem Kabinett gegenüber lag, und blickte in den Garten hinaus.
    {519} Der Mond stand hoch und klein zwischen flockigen Wolken, und der Springbrunnen ließ seinen Strahl in der Stille unter den überhängenden Zweigen des Walnußbaumes plätschern. Thomas sah hinüber auf den Pavillon, der das Ganze abschloß, auf die kleine, weiß glänzende Terrasse mit den beiden Obelisken, auf die regelmäßigen Kieswege, die frisch umgegrabenen, abgezirkelten Beete und Rasenplätze … aber diese ganze zierliche und ungestörte Symmetrie, weit entfernt, ihn zu beruhigen, verletzte und reizte ihn. Er erfaßte mit der Hand die Klinke des Fensters, legte seine Stirn darauf und ließ seine Gedanken ihren qualvollen Gang wieder antreten.
    Wo wollte es mit ihm hinaus? Er erinnerte sich einer Bemerkung, die er vorhin seiner Schwester gegenüber hatte fallen lassen und über die er selbst sich, sobald sie ausgesprochen, als über etwas höchst Überflüssiges geärgert hatte. Er hatte vom Grafen Strelitz gesprochen, vom Landadel, und hatte bei dieser Gelegenheit klar und deutlich die Meinung ausgedrückt, daß eine soziale Überlegenheit des Produzenten über den Zwischenhändler anzuerkennen sei. War das zutreffend? Ach, mein Gott, es war so unsäglich gleichgültig, ob es zutreffend war! Aber war
er
berufen, diesen Gedanken auszusprechen, ihn in Erwägung zu ziehen, überhaupt darauf zu verfallen? War er im stande, sich seinen Vater, seinen Großvater, irgend einen seiner Mitbürger vorzustellen, wie er diesem Gedanken nachhing und ihm Ausdruck verlieh? Ein Mann, der fest und zweifellos in seinem Berufe steht, kennt nur diesen, weiß nur von diesem, schätzt nur diesen …
    Plötzlich fühlte er, wie das Blut ihm heiß zum Kopfe stieg, wie er errötete bei einer zweiten Erinnerung, die weiter zurücklag. Er sah sich mit seinem Bruder Christian im Garten des Mengstraßen-Hauses umhergehen, begriffen in einem Streite, einer dieser so tief bedauernswerten erregten Auseinandersetzungen … Christian hatte, in seiner indiskreten und

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