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Buddenbrooks

Buddenbrooks

Titel: Buddenbrooks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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die Firma Johann Buddenbrook nicht mehr das war, was sie vor Zeiten gewesen, das schien eine so gassenläufige Wahrheit, daß Herr Stuht in der Glockengießerstraße es seiner Frau erzählen konnte, wenn sie mittags zusammen ihre Specksuppe verzehrten … und Thomas Buddenbrook stöhnte darüber.
    Gleichwohl war er selbst es, der zur Entstehung dieser Anschauungsweise am meisten beigetragen hatte. Er war ein reicher Mann, und keiner der Verluste, die er erlitten, auch den schweren des Jahres sechsundsechzig nicht ausgenommen, hatte die Existenz der Firma ernstlich in Frage stellen können. Aber obgleich er, wie selbstverständlich, fortfuhr, in angemessener Weise zu repräsentieren und seinen Diners die Anzahl von Gängen zu geben, die seine Gäste von ihnen erwarteten, hatte doch die Vorstellung, sein Glück und Erfolg sei dahin, diese Vorstellung, die mehr eine innere Wahrheit war, als daß sie auf äußere Thatsachen gegründet gewesen wäre, ihn in einen Zustand so argwöhnischer Verzagtheit versetzt, daß er, wie niemals zuvor, das Geld an sich zu halten und in seinem Privatleben in fast kleinlicher Weise zu sparen begann. Hundertmal hatte er den kostspieligen Bau seines neuen Hauses verwünscht, das ihm, so empfand er, nichts als Unheil gebracht hatte. Die Sommerreisen wurden eingestellt, und der kleine Stadtgarten mußte den Aufenthalt am Strande oder im Gebirge ersetzen. Die Mahlzeiten, die er gemeinsam mit seiner Gattin und dem kleinen Hanno einnahm, waren auf sein wiederholtes und strenges Geheiß von einer Einfachheit, die im Gegensatze zu dem weiten, parkettierten Speisezimmer, mit seinem hohen und luxuriösen Plafond und seinen prachtvollen Eichen-Möbeln komisch wirkte. Während längerer Zeit war Dessert nur für den Sonntag gestattet … Die Eleganz seines Äußeren blieb dieselbe; aber Anton, der langjährige Bediente, wußte doch in der Küche zu erzählen, daß der Senator jetzt nur noch jeden {514} zweiten Tag das weiße Hemd wechsele, da die Wäsche das feine Linnen allzu sehr ruiniere … Er wußte noch mehr. Er wußte auch, daß er entlassen werden sollte. Gerda protestierte. Drei Dienstboten seien zur Instandhaltung eines so großen Hauses kaum genug. Es half nichts: mit einem angemessenen Geldgeschenk ward Anton, der so lange den Bock eingenommen hatte, wenn Thomas Buddenbrook in den Senat fuhr, verabschiedet.
    Solchen Maßregeln entsprach das freudlose Tempo, das der Geschäftsgang angenommen hatte. Nichts war mehr zu verspüren von dem neuen und frischen Geiste, mit dem der junge Thomas Buddenbrook einst den Betrieb belebt hatte, – und sein Socius, Herr Friedrich Wilhelm Marcus, welcher, nur mit geringem Kapitale beteiligt, in keinem Falle bedeutenden Einfluß besessen hätte, war von Natur und Temperament jeder Initiative bar.
    Im Laufe der Jahre hatte seine Pedanterie zugenommen und war zur vollständigen Wunderlichkeit geworden. Er brauchte eine Viertelstunde, um sich, unter Schnurrbartstreichen, Räuspern und bedächtigen Seitenblicken, eine Cigarre anzuschneiden und die Spitze in seinen Geldbeutel zu versenken. Des Abends, wenn die Gaslampen jeden Winkel des Comptoirs taghell erleuchteten, unterließ er es niemals, noch eine brennende Stearinkerze auf sein Pult zu stellen. Nach jeder halben Stunde erhob er sich, um sich zur Wasserleitung zu begeben und seinen Kopf zu begießen. Eines Vormittags lag unordentlicherweise ein leerer Getreidesack unter seinem Pult, den er für eine Katze hielt und zum Gaudium des gesamten Personals unter lauten Verwünschungen zu verjagen suchte … Nein, er war nicht der Mann, der jetzigen Mattigkeit seines Compagnons zum Trotz, fördernd in die Geschäfte einzugreifen, und oft erfaßte den Senator, wie jetzt, während er matten Blickes in die Finsternis des Salons hinüberstarrte, die Scham und eine ver {515} zweifelte Ungeduld, wenn er sich den unbeträchtlichen Kleinbetrieb, das pfennigweise Geschäftemachen vergegenwärtigte, zu dem sich in letzter Zeit die Firma Johann Buddenbrook erniedrigt hatte.
    Aber, war es nicht gut so? Auch das Unglück, dachte er, hat seine Zeit. War es nicht weise, sich still zu verhalten, während es in uns herrscht, sich nicht zu rühren, abzuwarten und in Ruhe innere Kräfte zu sammeln? Warum mußte man jetzt mit diesem Vorschlag an ihn herantreten, ihn aus seiner klugen Resignation vor der Zeit aufstören und ihn mit Zweifeln und Bedenken erfüllen! War die Zeit gekommen? War dies ein Fingerzeig? Sollte er

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