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Buddenbrooks

Buddenbrooks

Titel: Buddenbrooks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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kann man nun etwas dafür!« wiederholte sie und nickte ihm trostlos fragend, mit großen, thränenvollen Augen zu. »Alles ist fehlgeschlagen und hat sich zum Unglück gewandt, was ich unternommen habe … Und ich habe so gute Absichten gehabt, Gott weiß es! … Ich habe immer so innig gewünscht, es zu etwas zu bringen im Leben und ein bißchen Ehre einzulegen … Nun bricht auch dies zusammen. So muß es enden … Das Letzte …«
    Und an seinen Arm gelehnt, den er besänftigend um sie gelegt hatte, weinte sie über ihr verfehltes Leben, in dem nun die letzten Hoffnungen erloschen waren.
    *
    Eine Woche später ward Direktor Hugo Weinschenk zu einer Gefängnisstrafe von drei Jahren und einem halben verurteilt und sofort in Haft genommen.
    Der Andrang zu der Sitzung, welche die Plaidoyers gebracht hatte, war sehr groß gewesen, und Rechtsanwalt Doktor Breslauer aus Berlin hatte geredet, wie man niemals einen Menschen hatte reden hören. Der Makler Sigismund Gosch ging wochenlang zischend vor Begeisterung über diese Ironie, dieses Pathos, diese Rührung umher, und Christian Buddenbrook, der ebenfalls zugegen gewesen war, stellte sich im Klub hinter einen Tisch, legte ein Paket Zeitungen als Akten vor sich hin {610} und lieferte eine vollendete Copie des Verteidigers. Übrigens erklärte er zu Hause, die Jurisprudenz sei der schönste Beruf, ja, das wäre ein Beruf für ihn gewesen … Selbst Staatsanwalt Doktor Hagenström, der ja ein Schöngeist war, that private Äußerungen, die dahin gingen, daß Breslauers Rede ihm einen wirklichen Genuß bereitet habe. Aber das Talent des berühmten Advokaten hatte nicht gehindert, daß die Juristen der Stadt ihm auf die Schulter geklopft und ihm in aller Bonhommie mitgeteilt hatten, sie ließen sich nichts weiß machen …
    Dann, nachdem die Verkäufe, die nach des Direktors Verschwinden notwendig wurden, beendet waren, begann man in der Stadt, Hugo Weinschenk zu vergessen. Aber die Damen Buddenbrook aus der Breiten Straße bekannten nun Donnerstags an der Familientafel: sofort, beim ersten Anblicke dieses Mannes hätten sie es ihm an den Augen angesehen, daß mit ihm nicht Alles in Ordnung sei, daß sein Charakter voller Makel sein müsse, und daß es kein gutes Ende mit ihm nehmen werde. Rücksichten, die nicht lieber außer Acht gelassen zu haben sie jetzt bedauerten, hätten sie veranlaßt, über diese traurige Erkenntnis Stillschweigen zu beobachten.

{611} Neunter Teil.
    (Paul Ehrenberg, dem tapferen Maler, zur Erinnerung an
    unsere Münchener musikalisch-litterarischen Abende.)

1.
    Hinter den beiden Herren, dem alten Doktor Grabow und dem jungen Doktor Langhals, einem Angehörigen der Familie Langhals, der etwa seit einem Jahre in der Stadt praktizierte, trat Senator Buddenbrook aus dem Schlafzimmer der Konsulin in das Frühstückszimmer und schloß die Thür.
    »Darf ich Sie bitten, meine Herren … auf einen Augenblick«, sagte er und führte sie die Treppe hinauf, über den Korridor und durch die Säulenhalle ins Landschaftszimmer, wo des feuchten und kalten Herbstwetters wegen schon geheizt war. »Meine Spannung wird Ihnen begreiflich sein … nehmen Sie Platz! Beruhigen Sie mich, wenn es irgend möglich ist!«
    »Potz Tausend, mein lieber Senator!« antwortete Doktor Grabow, der sich, das Kinn in der Halsbinde, bequem zurückgelehnt hatte und die Hutkrempe mit beiden Händen gegen seinen Magen gestemmt hielt, während Doktor Langhals, ein untersetzter, brünetter Herr mit spitzgeschnittenem Bart, aufrecht stehendem Haar, schönen Augen und einem eitlen Gesichtsausdruck, seinen Cylinder neben sich auf den Teppich gestellt hatte und seine außerordentlich kleinen, schwarzbehaarten Hände betrachtete … »Für irgend welche ernstliche Beunruhigung ist natürlich fürs Erste platterdings keine Ursache vorhanden; ich bitte Sie … eine Patientin von der verhältnismäßigen Widerstandskraft unserer verehrten Frau Konsulin … Meiner Treu, als gedienter Ratgeber kenne ich diese Widerstandskraft. Für ihre Jahre wirklich erstaunlich … was ich Ihnen sage …«
    {612} »Ja, eben, in ihren Jahren …« sagte der Senator unruhig und drehte an der langen Spitze seines Schnurrbartes.
    »Ich sage natürlich nicht, daß Ihre liebe Frau Mutter wird morgen wieder spazieren gehen können«, fuhr Doktor Grabow sanftmütig fort. »Diesen Eindruck wird die Patientin nicht auf Sie gemacht haben, lieber Senator. Es ist ja nicht zu leugnen, daß der Katarrh seit

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