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Buddenbrooks

Buddenbrooks

Titel: Buddenbrooks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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vierundzwanzig Stunden eine ärgerliche Wendung genommen hat. Der Schüttelfrost gestern Abend gefiel mir nicht recht, und heute giebt es da nun wahrhaftig ein bißchen Seitenstechen und Kurzluftigkeit. Etwas Fieber ist auch vorhanden – o, unbedeutend, aber es ist Fieber. Kurz, lieber Senator, man muß sich wohl mit der vertrakten Thatsache abfinden, daß die Lunge ein bißchen affiziert ist …«
    »Lungenentzündung also?« fragte der Senator und blickte von einem Arzte zum andern …
    »Ja, – Pneumonia«, sagte Doktor Langhals mit ernster und korrekter Verbeugung.
    »Allerdings, eine kleine, rechtsseitige Lungenentzündung«, antwortete der Hausarzt, »die wir sehr sorgfältig zu lokalisieren trachten müssen …«
    »Danach ist immerhin Grund zu ernster Besorgnis vorhanden?« Der Senator saß ganz still und sah dem Sprechenden unverwandt ins Gesicht.
    »Besorgnis? Oh … wir müssen, wie gesagt, darum besorgt sein, die Erkrankung einzuschränken, den Husten zu mildern, dem Fieber zu Leibe zu gehen … nun, das Chinin wird seine Schuldigkeit thun … Und dann noch Eins, lieber Senator … Keine Schreckhaftigkeit den einzelnen Symptomen gegenüber, nicht wahr? Sollte sich die Atemnot ein wenig verstärken, sollte in der Nacht vielleicht etwas Delirium stattfinden, oder morgen ein bißchen Auswurf sich einstellen … wissen Sie, so ein rotbräunlicher Auswurf, wenn auch Blut dabei ist … Das ist Alles durchaus logisch, durchaus zur Sache gehörig, durchaus {613} normal. Bereiten Sie, bitte, auch unsere liebe, verehrte Madame Permaneder darauf vor, die ja die Pflege mit soviel Hingebung leitet … A propos, wie geht es ihr? Ich habe ganz und gar zu fragen vergessen, wie es in den letzten Tagen mit ihrem Magen gewesen ist …«
    »Wie gewöhnlich. Ich weiß nichts Neues. Die Sorge um ihr Befinden tritt ja jetzt naturgemäß etwas zurück …«
    »Versteht sich. Übrigens … mir kommt dabei ein Gedanke. Ihre Frau Schwester hat Ruhe nötig, besonders in der Nacht, und Mamsell Severin allein dürfte doch wohl nicht ausreichen … wie wäre es mit einer Pflegerin, lieber Senator? Wir haben da unsere guten katholischen Grauen Schwestern, für die Sie immer so wohlwollend eintreten … Die Schwester Oberin wird sich freuen, Ihnen dienen zu können.«
    »Sie halten das also für nötig?«
    »Ich bringe es in Vorschlag. Es ist so angenehm … Die Schwestern sind unschätzbar. Sie wirken mit ihrer Erfahrenheit und Besonnenheit so beruhigend auf die Kranken … gerade bei diesen Krankheiten, die, wie gesagt, mit einer Reihe von etwas unheimlichen Symptomen verbunden sind … Also, um es zu wiederholen: ruhig Blut, nicht wahr, mein lieber Senator? Übrigens werden wir ja sehen … wir werden ja sehen … Wir sprechen ja heute Abend noch einmal vor …«
    »Zuversichtlich«, sagte Doktor Langhals, nahm seinen Cylinder und erhob sich gleichzeitig mit seinem älteren Kollegen. Aber der Senator blieb noch sitzen, er war noch nicht fertig, hatte noch eine Frage im Sinne, wollte noch eine Probe machen …
    »Meine Herren«, sagte er, »ein Wort noch … Mein Bruder Christian ist nervös, kurz, verträgt nicht viel … Raten Sie mir, ihm von der Erkrankung Mitteilung zu machen? Ihm vielleicht … die Rückkehr nahe zu legen –?«
    »Ihr Bruder Christian ist nicht in der Stadt?«
    {614} »Nein, in Hamburg. Vorübergehend. In Geschäften, so viel ich weiß …«
    Doktor Grabow warf seinem Kollegen einen Blick zu; dann schüttelte er dem Senator lachend die Hand und sagte:
    »Also lassen wir ihn ruhig bei seinen Geschäften! Warum ihn unnütz erschrecken? Sollte irgend eine Wendung in dem Befinden eintreten, die seine Anwesenheit wünschenswert macht, sagen wir: um die Patientin zu beruhigen, ihre Stimmung zu heben … nun, so wird ja immer noch Zeit sein … immer noch Zeit …«
    Während die Herren über Säulenhalle und Korridor zurückgingen und auf dem Treppenabsatz ein Weilchen stehen blieben, sprachen sie über andere Dinge, über Politik, über die Erschütterungen und Umwälzungen des kaum beendeten Krieges …
    »Nun, jetzt kommen gute Zeiten, wie, Herr Senator? Geld im Lande … Und frische Stimmung weit und breit …«
    Und der Senator stimmte dem halb und halb bei. Er bestätigte, daß der Ausbruch des Krieges den Verkehr in Getreide von Rußland zu großem Aufschwung gebracht habe und erwähnte der großen Dimensionen, die damals der Hafer-Import, zum Zwecke der Armee-Lieferung

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