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Buddenbrooks

Buddenbrooks

Titel: Buddenbrooks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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Gang zwischen den Mauern entlang über den hinteren Hof, wo der Eichbaum stand, nach dem Rückgebäude zu begeben. Hier gab es nichts, als vernachlässigte Altersschwäche. Zwischen den Pflastersteinen des Hofes wucherte Gras und Moos, die Treppen des Hauses waren in vollem Verfall, und die freie Katzenfamilie im Billardsaale konnte man nur flüchtig beunruhigen, indem man die Thür öffnete, ohne einzutreten, denn der Fußboden war hier nicht sicher.
    Konsul Hagenström war schweigsam und ersichtlich mit {667} Erwägungen und Plänen beschäftigt. »Nun ja –« sagte er beständig, gleichgültig abwehrend, und deutete damit an, daß, sollte er hier Herr werden, dies Alles natürlich nicht so bleiben könne. Mit der gleichen Miene stand er auch ein Weilchen auf dem harten Lehmboden zu ebener Erde und blickte zu den öden Speicherböden empor. »Nun ja –« wiederholte er, setzte das dicke und schadhafte Windetau, das hier, mit seinem verrosteten Eisenhaken am Ende, während langer Jahre regungslos inmitten des Raumes gehangen hatte, ein wenig in Pendelbewegung und wandte sich dann auf dem Absatze um.
    »Ja, nehmen Sie besten Dank für Ihre Bemühungen, Herr Senator; wir sind wohl zu Ende«, sagte er, und dann blieb er beinahe stumm, auf dem rasch zurückgelegten Wege zum Vordergebäude, sowie auch später, als die beiden Gäste sich im Landschaftszimmer, ohne noch einmal Platz zu nehmen, bei Frau Permaneder empfohlen hatten und Thomas Buddenbrook sie die Treppe hinunter und über die Diele geleitete. Kaum aber war die Verabschiedung erledigt, und kaum wandte sich Konsul Hagenström, auf die Straße hinaustretend, seinem Begleiter, dem Makler, zu, als zu bemerken war, daß ein überaus lebhaftes Gespräch zwischen den Beiden begann …
    Der Senator kehrte ins Landschaftszimmer zurück, woselbst Frau Permaneder, ohne sich anzulehnen und mit strenger Miene, an ihrem Fensterplatze saß, mit zwei großen Holznadeln an einem schwarzwollenen Röckchen für ihre Enkelin, die kleine Elisabeth, strickte und hie und da einen Blick seitwärts in den »Spion« warf. Thomas ging eine Weile, die Hände in den Hosentaschen, schweigend auf und nieder.
    »Ja, ich habe ihn nun dem Makler überlassen«, sagte er dann; »man muß abwarten, was daraus wird. Ich denke, er wird das Ganze kaufen, hier vorne wohnen und das hintere Terrain anderweitig verwerten« …
    Sie sah ihn nicht an, sie veränderte auch nicht die aufrechte {668} Haltung ihres Oberkörpers und hörte nicht auf, zu stricken; im Gegenteile, die Schnelligkeit, mit der die Nadeln sich in ihren Händen um einander bewegten, nahm merklich zu.
    »O gewiß, er wird es kaufen, er wird das Ganze kaufen«, sagte sie, und es war die Kehlkopfstimme, deren sie sich bediente. »Warum sollte er es nicht kaufen, nicht wahr? Es läge effektiv kein vernünftiger Sinn darin.«
    Und mit emporgezogenen Brauen blickte sie durch das Pincenez, das sie jetzt bei Handarbeiten gebrauchen mußte, aber durchaus nicht richtig aufzusetzen verstand, steif und fest auf ihre Nadeln, die mit verwirrender Geschwindigkeit und leisem Geklapper um einander wirbelten.
    *
    Weihnachten kam, das erste Weihnachtsfest ohne die Konsulin. Der Abend des vierundzwanzigsten Dezembers wurde im Hause des Senators begangen, ohne die Damen Buddenbrook aus der Breitenstraße und ohne die alten Krögers; denn wie es nun mit den regelmäßigen »Kindertagen« ein Ende hatte, so war Thomas Buddenbrook auch nicht geneigt, alle Teilnehmer an den Weihnachtsabenden der Konsulin nun seinerseits zu versammeln und zu beschenken. Nur Frau Permaneder mit Erika Weinschenk und der kleinen Elisabeth, Christian, Klothhilde, die Klosterdame, und Mademoiselle Weichbrodt waren gebeten, welch' letztere ja nicht abließ, am fünfundzwanzigsten in ihren heißen Stübchen die übliche, mit Unglücksfällen verbundene Bescheerung abzuhalten.
    Es fehlte der Chor der »Hausarmen«, die in der Mengstraße Schuhzeug und wollene Sachen in Empfang genommen hatten, und es gab keinen Knabengesang. Man stimmte im Salon ganz einfach das »Stille Nacht, heilige Nacht« an, worauf Therese Weichbrodt aufs Exakteste das Weihnachtskapitel verlas, an Stelle der Senatorin, die das nicht sonderlich liebte; und {669} dann ging man, indem man mit halber Stimme die erste Strophe des »O Tannebaum« sang, durch die Zimmerflucht in den großen Saal hinüber.
    Es lag kein besonderer Grund vor zu freudigen Veranstaltungen. Die Gesichter waren nicht eben

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