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Buddenbrooks

Buddenbrooks

Titel: Buddenbrooks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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lange mehr hinausgeschoben werden. Zwei Jahre höchstens noch … Sie sind jung – desto besser! Aber kurz und gut, warum soll ich auf sie warten und mir die günstige Gelegenheit entgehen lassen, die sich mir augenblicklich bietet? Es läge effektiv kein vernünftiger Sinn darin …«
    Zustimmung herrschte im Zimmer, und die Unterhaltung blieb ein wenig bei dieser Familienangelegenheit, dieser bevorstehenden Verehelichung stehen; denn da vorteilhafte Heiraten zwischen Geschwisterkindern in der Stadt nichts Ungewöhnliches waren, so nahm Niemand Anstoß daran. Man erkundigte sich nach den Plänen der jungen Herrschaften, Pläne, die sogar schon die Hochzeitsreise betrafen … Sie gedachten an die Riviera zu gehen, nach Nizza und so weiter. Sie hatten Lust dazu – und warum also nicht, nicht wahr? … Auch der jüngeren Kinder wurde erwähnt, und der Konsul sprach mit Behagen und Wohlgefallen von ihnen, leichthin und mit Achselzucken. Er selbst besaß fünf Kinder und sein Bruder Moritz deren vier: Söhne und Töchter … ja, danke sehr, sie waren Alle wohlauf. Warum sollten sie übrigens nicht wohlauf sein – nicht wahr? Kurzum, es ging ihnen gut. Und dann kam er wieder auf das Anwachsen der Familie und die Enge in seinem Hause zu {665} sprechen … »Ja, dies hier ist etwas Anderes!« sagte er. »Das habe ich schon auf dem Wege hier herauf sehen können – das Haus ist eine Perle, eine Perle ohne Frage, gesetzt, daß der Vergleich bei diesen Dimensionen haltbar ist, ha! ha! … Schon die Tapeten hier … ich gestehe Ihnen, gnädige Frau, ich bewundere, während ich spreche, beständig die Tapeten. Ein charmantes Zimmer effektiv! Wenn ich denke … hier haben Sie bislang Ihr Leben verbringen dürfen …«
    »Mit einigen Unterbrechungen – ja«, sprach Frau Permaneder mit jener besonderen Kehlkopfstimme, die ihr manchmal zu Gebote stand.
    »Unterbrechungen – ja«, wiederholte der Konsul mit zuvorkommendem Lächeln. Dann warf er einen Blick auf Senator Buddenbrook und Herrn Gosch, und da die beiden Herren im Gespräche begriffen waren, rückte er seinen Sessel näher zu Frau Permaneders Sofasitz heran und beugte sich zu ihr, sodaß nun das schwere Pusten seiner Nase dicht unter der ihren ertönte. Zu höflich, sich abzuwenden und sich seinem Atem zu entziehen, saß sie steif und möglichst hoch aufgerichtet und blickte mit gesenkten Lidern auf ihn nieder. Aber er bemerkte durchaus nicht das Gezwungene und Unangenehme ihrer Lage.
    »Wie ist es, gnädige Frau«, sagte er … »Mir scheint, wir haben früher schon einmal Geschäfte mit einander gemacht? Damals handelte es sich freilich nur … um was noch gleich? Leckereien, Zuckerwerk, wie? … Und jetzt um ein ganzes Haus …«
    »Ich erinnere mich nicht«, sagte Frau Permaneder und steifte ihren Hals noch mehr, denn sein Gesicht war ihr unanständig und unerträglich nahe …
    »Sie erinnern sich nicht?«
    »Nein, ich weiß, ehrlich gesagt, nichts von Zuckerwerk. Mir schwebt etwas vor von Citronensemmeln mit fetter Wurst belegt … einem recht widerlichen Frühstücksbrot … Ich weiß {666} nicht, ob es mir oder Ihnen gehörte … Wir waren Kinder damals … Aber das mit dem Hause heute ist ja ganz und gar Sache des Herrn Gosch …«
    Sie warf ihrem Bruder einen raschen, dankbaren Blick zu, denn er hatte ihre Not gesehen und kam ihr zur Hülfe, indem er sich die Frage erlaubte, ob es den Herren genehm sei, vorerst einmal den Gang durchs Haus zu unternehmen. Man war bereit dazu, man verabschiedete sich vorläufig von Frau Permaneder, denn man hoffte, später noch einmal das Vergnügen zu haben … und dann führte der Senator die beiden Gäste durch den Eßsaal hinaus.
    Er führte sie treppauf, treppab und zeigte ihnen die Zimmer der zweiten Etage, sowie diejenigen, die am Korridor des ersten Stockwerks gelegen waren, und die Parterre-Räumlichkeiten, ja selbst Küche und Keller. Was die Bureaux betraf, so nahm man Abstand davon, einzutreten, da der Rundgang in die Arbeitszeit der Versicherungs-Beamtenschaft fiel. Ein paar Bemerkungen über den neuen Direktor wurden gewechselt, den Konsul Hagenström zweimal hinter einander für einen grundehrlichen Mann erklärte, worauf der Senator verstummte.
    Sie gingen dann durch den kahlen, in halbgeschmolzenem Schnee liegenden Garten, thaten einen Blick in das »Portal« und kehrten auf den vorderen Hof zurück, dorthin, wo die Waschküche lag, um sich von hier aus den schmalen, gepflasterten

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