Buddenbrooks
Hagenströms rücken mit Kling und Klang an ihre Stelle … Nie, Thomas, niemals wirke ich mit bei diesem Schauspiele! Niemals biete ich die Hand zu dieser Niederträchtigkeit! Mag er nur kommen, laß ihn nur sich unterstehen, hierher zu kommen, um das Haus zu besichtigen. Ich empfange ihn nicht, das glaube mir! Ich setze mich mit meiner Tochter und meiner Enkelin in ein Zimmer und drehe den Schlüssel um und verwehre ihm den Eintritt, das thue ich …«
»Du wirst das machen, wie du es für klug hältst, meine Liebe, und vorher überlegen, ob es nicht ratsam sein wird, den gesellschaftlichen Anstand aufmerksam zu wahren. Vermutlich glaubst du, daß Konsul Hagenström sich durch dein Beneh {660} men tief getroffen fühlen würde? Nein, weit gefehlt, mein Kind. Er würde sich weder erfreuen, noch erbosen darüber, sondern er würde erstaunt sein, kühl und gleichgültig erstaunt … Die Sache ist die, daß du bei ihm dieselben Gefühle gegen dich und uns voraussetzest, die du gegen ihn hegst. Irrtum, Tony! Er haßt dich ja gar nicht. Warum sollte er dich hassen? Er haßt keinen Menschen. Er sitzt in Erfolg und Glück und ist voll Heiterkeit und Wohlwollen, glaube mir das Eine. Ich habe dir schon mehr als zehnmal versichert, daß er dich auf der Straße in der liebenswürdigsten Weise grüßen würde, wenn du dich überwinden könntest, einmal nicht gar zu kriegerisch und hochmütig in die Luft zu blicken. Er wundert sich darüber, zwei Minuten lang empfindet er ein ruhevolles und etwas moquantes Erstaunen, unfähig, einen Mann, dem niemand etwas anhaben kann, aus dem Gleichgewicht zu bringen … Was wirfst du ihm vor? Wenn er mich geschäftlich weit überflügelt hat und mir hie und da mit Erfolg in öffentlichen Angelegenheiten entgegentritt – schön und gut, so muß er denn wohl ein tüchtigerer Kaufmann und ein besserer Politiker sein, als ich … Durchaus kein Grund, so sonderbar wütend zu lachen, wie du da thust! Um aber auf das Haus zurückzukommen, so hat ja das alte längst kaum noch eine thatsächliche Bedeutung für die Familie, sondern die ist allmählich ganz auf das meine übergegangen … ich sage das, um dich für jeden Fall zu trösten. Andererseits ist es ja klar, wodurch Konsul Hagenström auf Kaufgedanken gebracht worden ist. Die Leute sind emporgekommen, ihre Familie wächst, sie sind mit Möllendorpfs verschwägert, und an Geld und Ansehen den Ersten gleich. Aber es fehlt ihnen etwas, etwas Äußerliches, worauf sie bislang mit Überlegenheit und Vorurteilslosigkeit verzichtet haben … Die historische Weihe, sozusagen, das Legitime … Sie scheinen jetzt Appetit danach bekommen zu haben, und sie verschaffen sich etwas davon, indem sie ein Haus beziehen wie dieses hier … {661} Paß auf, der Konsul wird hier Alles möglichst konservieren, er wird nichts umbauen, er wird auch das ›Dominus providebit‹ über der Hausthür stehen lassen, obgleich man billig sein und ihm zugestehen muß, daß nicht der Herr, sondern er ganz allein der Firma Strunck & Hagenström zu einem so erfreulichen Aufschwung verholfen hat …«
»Bravo, Tom! Ach, wie das wohlthut, einmal von dir eine Bosheit über ihn zu hören! Das ist ja eigentlich Alles, was ich will! Mein Gott, hätte ich deinen Kopf, wie wollte ich ihm zusetzen! Aber da stehst du nun …«
»Du siehst ja, daß mein Kopf mir thatsächlich wenig nützt.«
»Aber da stehst du nun, sage ich, und sprichst über die Sache mit dieser unfaßlichen Gelassenheit und erklärst mir Hagenströms Handlungsweise … Ach, rede wie du willst, du hast ein Herz im Leibe so gut wie ich, und ich glaube einfach nicht, daß es dich innerlich so ruhig läßt, wie du thust! Du antwortest mir auf meine Klagen … vielleicht willst du dich selbst nur trösten …«
»Jetzt wirst du vorlaut, Tony. Wie ich ›thue‹, das gilt – bitte ich mir aus! Alles Übrige geht Niemanden etwas an.«
»Sage nur das Eine, Tom, ich flehe dich an: Wäre es nicht ein Fiebertraum?«
»Vollkommen.«
»Ein Alpdrücken?«
»Warum nicht.«
»Eine Katzenkomödie zum Heulen?«
»Genug! Genug!« –
- Und Konsul Hagenström erschien in der Mengstraße, er erschien zusammen mit Herrn Gosch, der, seinen Jesuitenhut in der Hand, gebückt und verräterisch um sich blickend, an dem Folgmädchen vorbei, das die Karten überbracht hatte und die Glasthür offen hielt, hinter dem Konsul ins Landschaftszimmer trat …
{662} Hermann Hagenström, in einem fußlangen, dicken und
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